funny girl
besonders bei Mutter und Vater, aber sie sei sicher, das sei der Weg, der ihr vorbestimmt sei.
»Ich habe es versucht. Aber ich kann nicht so sein, wie ihr mich gerne hättet. Ich bin nicht Banu. Ich bin nicht einmal Döndü. Und ich hoffe, eines Tages kommt ihr alle mit und seht euch einen Auftritt von mir an und akzeptiert mich dann, wie ich bin.«
Sabite rief den Namen ihres Mannes, erwartete von ihm, dass er dieses Aufbegehren auf der Stelle unterdrücken würde. Stattdessen antwortete Aristot mit einem etwas kleinmütigen leichten Schulterzucken.
»Sag es ihr!«, drängte Sabite.
Doch Aristot hob nur die Hände. »Was soll ich ihr sagen? Dass sie es nicht machen kann? Aber warum sollte sie es nicht machen? Sie hat nichts Unrechtes getan. Was soll daran unrecht sein?«
Azime starrte ihren Vater an.
»Wir haben einen so weiten Weg zurückgelegt«, fuhr er fort. »Und was hatten wir davon? Einen so weiten Weg, und dann sollen wir uns vorschreiben lassen, was wir tun? Keiner schreibt uns vor, was wir zu tun haben. Wir sind friedlich. Wir sind ehrliche Leute. Wir achten unsere Gemeinschaft. Und nun will dieses Mädchen hier die Menschen zum Lachen bringen? Was soll daran falsch sein?«
»Kein Mann wird sie heiraten! Das ist falsch daran.«
»Warten wir’s ab«, warf Azime ein.
»Erzähl ihnen den Witz«, sagte Aristot.
»Welchen Witz?«
»Den über mich. Auf dem Computer. Im Büro. Couchgarnituren. Erzähl ihn.«
»O nein. Du hast das ge lesen ?«
»Komm. Erzähl ihn.«
Azime schüttelte verdattert den Kopf. Was für ein unglaublicher Mann ihr Vater doch war. Ein Mann von fanatischer Zärtlichkeit, von liebevoller Grobheit. Er wusste vom Ordner »Couchgarnituren«? Er hatte ihre Witze über ihn gelesen und nichts gesagt? Seit wann kannte er das alles? Er war doch immer für eine Überraschung gut.
Stockend begann sie, während ihr Blick zwischen ihrer Mutter, ihrem Bruder und ihrer Schwester hin und her huschte: »MeinDad hat mehr als nur eine Frau. Ich glaube, in Fachkreisen nennt man das ›Polygamie‹, aber hier bei uns zu Hause reden wir nur von ›Multitasking‹.«
Gespannt blickte Aristot reihum in die Gesichter seiner Familie auf der Suche nach einer Reaktion. Er selbst gluckste schon, doch Sabite und Zeki und Döndü saßen auf der Couch und starrten ihn verständnislos an. Einzig Sabite reagierte schließlich, doch schneuzte sie sich nur und nahm dazu eine Festtagsserviette, am Rand bedruckt in arabischer Schrift. Was konnte eine Mutter da noch machen?, lautete die Botschaft. Nichts. Sie hatte alles versucht. All die schlaflosen Stunden, die vielen hundert Pfund für den Ehevermittler –vergebens.
Zeki war verwirrt: »Dad hat mehr als eine Frau?«
»Das ist ein Witz«, klärte Azime ihn auf.
»Wovon redest du?«
»Es ist ein Witz.«
»Der ist nicht lustig.«
Döndü hatte ebenfalls eine Frage: »Was ist Multitasking?«
Aristot wurde nervös. »Erzähl ihnen einen anderen. Mach schon. Über mich.«
Und so erzählte Azime ihrer versammelten Familie, schuld daran, dass ihr Vater so viele Frauen habe, sei einzig und allein ihre Mutter. Eines Tages habe sie ihrem Mann nämlich gesagt, er solle »liebevoller« sein. Sie sei schuld. Er habe bloß getan, was man von ihm verlangt habe.
Sabite reagierte sofort: »Ich bin schuld?«
»Was ist denn nur los mit euch?«, rief Aristot. »Das ist ein guter Witz. ›Sei liebevoller!‹« Und zu Azime: »Mach weiter. Weiter. Erzähl ihnen den nächsten Teil. Weiter.«
Und so erzählte Azime, wie Aristot seine vierte Frau geheiratet und ihr am Hochzeitstag einen Ring geschenkt hatte mit der Gravur »Für die Trägerin dieses Ringes«.
Die Worte »Für die Trägerin dieses Ringes« verhallten im Raum. War das eine lustige Idee? Oder nicht? Sabite zeigte den Anflug eines Lächelns. Zeki nickte verächtlich. Nur Döndü verstand überhaupt nichts.
Doch schon beim ersten Anzeichen eines Risses im arktischen Eis der familiären Ernsthaftigkeit klatschte Aristot triumphierend in die Hände. »Habt ihr ihn verstanden? ›Für die Trägerin dieses Ringes‹! Auf einem Ehering! Gut, was? Das ist gut, was? Das ist sehr gut. Siehst du, Sabite? Sie ist lustig. Genau wie du. Das hat sie von dir.«
Doch Sabite schüttelte nur empört den Kopf und schneuzte sich erneut lautstark in die Papierserviette.
Azime, jetzt zum Weitermachen ermuntert, lächelte selbst auch, zum ersten Mal. Sie erklärte, ihr Vater habe das Englische noch nicht ganz gemeistert und
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