funny girl
viel Betrieb, man hörte gedämpfte Stimmen, das Klirren von Teegläsern, die von ältlichen eleganten Kellnern auf Marmortische gestellt wurden. Auf dem Bürgersteig vor dem Fenster Grüppchen von Männern, die sich unterhielten, Zeitung lasen, träge die Schläuche der Wasserpfeifen zum Mund führten und den Rauch durch den blubbernden Wasserbehälter sogen. Drinnen, an einem der hinteren Tische, saß ein einzelner Mann, trank Tee, blickte auf die Uhr und sah sich nach der Frau um, mit der er verabredet war. Er war Mitte dreißig, ein bisschen zu dick, aber es hielt sich in Grenzen. Das dichte, lockige Haar war straff aus der Stirn gekämmt und bildete, mit Pomade gebändigt, eine gewellte, ansteigende Fläche. Die drei obersten Hemdknöpfe waren geöffnet. Er schwitzte, teils weil es ein schwüler Tag war, aber auch weil er unter Druck stand. Als er eine junge Frau näher kommen sah, warf er einen Blick auf das Foto in seiner Hand, stellte fest, dass sie der Frau auf dem Bild durchaus ähnlich war, und bot ihr mit höflichem Lächeln einen Platz an.
Sie hatte sich verspätet. Sie bat um Entschuldigung. Er sagte, das sei kein Problem. Sie wiederholte, dass es ihr leidtue. Er wiederholte, das sei wirklich kein Problem. Anscheinend war er zufrieden mit dem, was er bis jetzt von ihr gesehen hatte. Aber als er ihr nach dem Hinsetzen ins Gesicht schaute – ein Gesicht, das er für den Rest seines Lebens Tag für Tag ansehen könnte, wenn es mit dieser Verabredung klappte –, fiel ihm auf, dass sie ein bisschen schielte. Genau gesagt, mehr als nur ein bisschen, sie schielte sogar ziemlich heftig, ein beunruhigender Fehler in der Ausrichtung ihrer Augen, und er wusste nicht, in welches Auge er höflicherweise schauen sollte. War da auch noch ein Muskelzucken? Es sah aus, als ob sich ihre rechte Schulter in regelmäßigen Abständen nach oben bewegte. Er war sich nicht sicher. Vielleicht war ja nur ihre Unterwäsche verrutscht, und sie versuchte jetzt, den BH -Träger hochzuschieben, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen.
Auf seine Frage, ob sie etwas zu essen bestellen wolle, antwortete sie: »Unbedingt.« Sie schlug die Speisekarte auf und musterte sie, erst mit dem einen, dann mit dem anderen Auge. Der Mann fragte sich, welches wohl ihr bevorzugtes Auge war. Als der Kellner kam, fing die junge Frau an, Essen zu bestellen, und sie hörte erst auf mit Bestellen, als sie einen Großteil des Angebots des Cafés geordert hatte. Dem Kellner erklärte sie, sie wolle mit etwas Süßem anfangen, dann zu etwas Salzigem übergehen, und zum Schluss vielleicht noch mal etwas Süßes. Dann überlegte sie es sich anders und verlangte Salzig, Süß und wieder Salzig, doch noch während sie das sagte, überlegte sie es sich noch einmal anders; sie kehrte zu der früheren Variante zurück und bestellte als Erstes susam mantolu kek. Ob er wisse, wie das schmecke, fragte sie ihr Gegenüber. Sehr lecker. Vielleicht in der Annahme, sie habe für ihn mitbestellt, orderte der Mann nichts. Dann folgte oberflächlicher und überwiegend nichtssagender Smalltalk – über das Wetter, Parkplatznöte, was für ein nettes Café das doch sei –, aber er fand es merkwürdig, dass sie ihn zum dritten Mal fragte, wo er wohne, obwohl er ihr auf diese Frage schon zweimal eine Antwort gegeben hatte, nämlich: »Ganz in der Nähe.«
Der erste Gang wurde serviert. Sie packte die Gabel, als sei das Essen etwas Lebendiges, das sie erdolchen müsse, dann begann sie, sich von dem susam mantolu kek große Bissen in den Mund zu stopfen. Kauend verkündete sie dem Mann, der Kuchen sei wirklich sehr lecker, er könne gern mal probieren – ein Angebot, das er höflich ablehnte. Während er ihr beim Essen zusah, rührte er vor lauter Aufregung ein weiteres Stück Zucker in seinen ohnehin schon viel zu süßen Tee. Ein paar peinliche Augenblicke lang wussten sie beide nichts zu sagen. Sie wandten den Blick ab, dann sahen sie sich wieder an, lächelten halbherzig, wandten den Blick wieder ab und sahen sich wieder an. Wenn sie lächelte, hörte sie einen Augenblick lang auf zu schielen, doch danach wurde es nur noch schlimmer. Er lächelte nach Leibeskräften, dann wanderte sein Blick immer häufiger zu seiner Armbanduhr. Doch als sie den Kuchen halb aufgegessen hatte, erstarrte sie – die Augen weit aufgerissen. Plötzlich spuckte sie den Kuchen in die erstbeste Serviette – wie sich herausstellte, war es seine.
»Oh, mein Gott! Es tut mir ja so leid«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher