funny girl
wären.
»Wo bist du gewesen?«, wollte Aristot wissen. »Sag’s mir, sofort.«
»Draußen.«
»Wo? Sag es mir.«
»Ich war –«
»Hier rein. Jetzt sofort!«
Im Wohnzimmer setzten ihre Eltern die Befragung fort: »Jetzt sag uns, wo du gewesen bist, Azime.«
»Ich war –«
»Was verheimlichst du uns?«
»Ich war – in der Abendschule.«
Sabite, die neben ihrem Mann auf der Couch saß, traute ihren Ohren nicht. »In der Abendschule? In der Abendschule?«
»Ja. Ich – ich habe mich da eingeschrieben.«
Aristot schüttelte den Kopf: »Was studierst du?«
»Möbel. Möbeldesign. Ich will selbst Möbel entwerfen. Hübschere Möbel.«
Diese Vorstellung schien ihren Vater kurz zu interessieren, und er schien Azime zu glauben, doch dann verfinsterte sich seine Miene wieder. »Du lügst.«
»Was für eine Abendschule?«, wollte Sabite wissen. »Wo?«
Und Aristot legte nach: »Gib mir einen Beweis. Zeig mir, dass es stimmt. Du lügst mich an.«
»Okay!« Azime kramte in ihrer Handtasche und holte einen Prospekt einer Fachhochschule heraus. Einführungskurs Design und Technik. 103.
Vater und Mutter lasen beide den Titel. »Warum hast du uns davon nichts erzählt?«, wollte Aristot wissen.
»Ich weiß nicht. Ich dachte, dann verbietet ihr es.« Azime hatte den Prospekt vor Wochen auf ihrer Suche nach beruflichen Alternativen im Jobcenter entdeckt und trug ihn seither in ihrer Handtasche mit sich herum.
»Vielleicht mache ich das noch! Trotzdem hättest du es mir erzählen sollen.«
»Ich bin zwanzig.«
»Ganz genau«, seufzte Sabite. »Wer wird dich in dem Alter noch heiraten?«
Azime nutzte die erste Gelegenheit, um vor dem Verhör nach oben auf ihr Zimmer zu fliehen, wobei sie sorgsam auf die Steine auf dem Treppenläufer achtete. Sie nahm zwei Schmerztabletten, verkroch sich ins Bett und schlief schließlich ein.
Als sie erwachte, war nichts mehr wie zuvor.
7
Einfach nur Azime
Die erste muslimische Bühnenkomikerin der Welt
Von Jeremy Adams
LONDON – Azime – so nennt sie sich auf der Bühne, Azime Gevaş aus Hackney, Schülerin einer Comedy-Schule in ihrem Viertel. Einfach nur Azime. »Furchtlos« wäre ein Wort, mit dem man sie beschreiben könnte, furchtlos, weil sie sich traut, zu einer Zeit wie dieser Witze zu erzählen, wie sie das gestern Abend bei der Veranstaltung »Muslimische Comedians gegen die Anschläge« getan hat.
Furchtlos wäre der eine Ausdruck. Der andere wäre witzig.
Mit anzusehen, wie diese scheue, zurückhaltende, doch bezaubernde junge Frau auf die Bühne eines Comedy-Clubs tritt und dabei eine traditionelle Burka trägt, die ihren gesamten Körper mit Ausnahme der Augen bedeckt, das ist einer der atemberaubendsten Anblicke, die dem Verfasser seit Jahren begegnet sind. Eine muslimische Frau, eine »verschleierte« Frau, die sich traut, den Mund aufzumachen und zu sagen, was ihr durch den Kopf geht, und das vor einem überwiegend männlichen muslimischen Publikum – es war zu spüren, was für ein großer Schritt das für ihr Publikum war, und das zu einer Zeit, wo Fortschritt, gerade für Frauen mit ihrem Hintergrund, Mangelware ist. Ihre Texte, die man eigentlich unpolitisch nennen könnte, wurden doch, allein durch die Person, die sie vortrug, zu explosivem Material. Das Medium war die Botschaft. Und auch wenn an diesem Abend, der muslimische Solidarität mit den Opfern der jüngsten Londoner Bombenanschläge demonstrieren sollte, noch etliche weitere Comedians auftraten, war doch Azime der Star der Show.
»Mein Name ist Azime«, sagte sie hinter ihrem Schleier. »Einfach nur Azime. Wie Madonna.« Aber ich habe den Verdacht, dass es bei »einfach nur Azime« nicht mehr lange bleiben wird – denn wenn je die Zeit reif war, dass jemand wie sie ins Rampenlicht tritt und laut und deutlich sagt, was sie will, dann ist dieser Zeitpunkt jetzt gekommen.
Sie kam inkognito auf die Bühne, beobachtete uns mit forschenden Augen – doch gestern Abend zeigte sie ihren Mut und stellte sich mit ihrer Nummer vor eine zweihundert Mann starke Zuhörerschaft. Was hat sie für Witze gemacht? Ich weiß es nicht mehr, und es spielt auch keine Rolle.
Was sind ihre Motive? Nach dem kurzen zehnminütigen Auftritt lässt sich das nicht sagen. Die Frage, um die es in Wirklichkeit geht, lautet: Was könnte sie tun? Und ich denke, die Antwort lautet: Eine ganze Menge, wenn sie das will. Allein schon die Tatsache, dass sie dort stand, war eine Revolution. Der Witz, mit dem sie uns von
Weitere Kostenlose Bücher