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funny girl

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Titel: funny girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony McCarten
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flüsterte Emin.
    »Bei deiner Familie?«
    »Ich habe eine Wohnung. Für mich allein. Willst du sie sehen?«
    Sie war ein modernes britisches Mädchen. Was hätte ein modernes britisches Mädchen in so einem Fall geantwortet? Sie sagte ja.
    »Bist du sicher?«
    Azime nickte.
    Er bog in eine von gestutzten Platanen gesäumte Straße. Die Äste hatten sich noch nicht von den winterlichen Amputationen erholt. Zwei Reihen gleichartiger Häuser, eine das Spiegelbild der anderen.
    Emin hatte eine Souterrainwohnung. Er warnte Azime vor dem Moos auf den Stufen. Er fasste sie bei der Hand, führte sie nach unten, tiefer und tiefer hinab. Ein Licht schaltete sich ein, als sie an die Tür kamen.
    »Willkommen in meiner Höhle.«
    Eine schöne Wohnung. Klein, nur zwei Zimmer. Von der Küche kam man auf eine Gartenterrasse, ein großer Luxus. Er schaltete sämtliche Lichter ein. An den Wänden hingen gerahmte Filmplakate: Casablanca, Jenseits von Eden, Der unsichtbare Dritte. Zwei Hanteln waren unter dem gläsernen Couchtisch abgelegt. Sie setzte sich, er machte Kaffee; sie blätterte in einem Bildband über die Serengeti, betrachtete Millionen von Gnus auf ihrer Wanderung, wie von einem einzigen Willen gesteuert. Er brachte den Kaffee und setzte sich ganz dicht neben sie auf die Couch. Er nutzte die Gelegenheit, sie noch einmal zu küssen. Während der nächsten zwanzig Minuten taten sie nichts anderes. Was immer der eine Körper als Frage stellen mochte, wurde vom anderen beantwortet. Als sie sich wieder voneinander lösten, brannten ihre Lippen.
    »Bist du noch Jungfrau?«, fragte Emin.
    Azime nickte einmal kurz:»Und du?«
    »Nein.«
    »Dachte ich mir.«
    »Diese ganze ›Kein-Sex-vor-der-Ehe‹-Geschichte – das ist Dorfmoral aus dem neunzehnten Jahrhundert. Hier in der Großstadt braucht so was kein Mensch. Oder wie siehst du das?«
    Sie küssten sich wieder. Dann stand er auf und zog sie in die Höhe, fasste sie bei der Hand und führte sie über den Flur zum Schlafzimmer. Am Anfang war sie ganz nah bei ihm, doch mit jedem Schritt wurde sie langsamer, bis er, der den Widerstand spürte, eine Armlänge von ihr entfernt stehen blieb.
    Azime schüttelte ganz langsam den Kopf, mit zweifelnd verzogenem Gesicht, eine kleine H-förmige Sorgenfalte auf der Stirn oberhalb der Nase. Er kam einen Schritt zurück und nahm sie in den Arm. »Schon gut.«
    »Ich glaube, manches an dieser Dorfmoral ist doch gar nicht so schlecht. Sei mir nicht böse, aber ein Teil von mir ist noch ziemlich altmodisch, und dieser Teil möchte gern bei meiner Hochzeit Jungfrau sein.«
    Er war nicht ihrer Meinung. Für ihn sei die Jungfräulichkeit keine große Sache, jedenfalls nicht mehr heutzutage, aber er respektiere ihre Entscheidung. Vollkommen. Respektiere und verstehe sie.
    »Aber?«
    Er nickte. Er konnte nicht lügen. »Aber.«
    Sie hätte heulen können.
    »Ich will nicht heiraten«, sagte Emin. »Das hat noch jahrelang Zeit. Und du willst keinen Sex vor der Ehe. Wenn ich mit dir zusammen wäre, hieße das —«
    »Ich weiß, was das hieße.«
    »Kein Sex. Jahre lang.«
    »Danke, dass du es mir erklärst.«
    » Jahre. Ich bin ein Mann. Ich brauche Sex.«
    »So ist das.«
    »Ich fahr dich jetzt besser nach Hause.«
    »Wir könnten noch bleiben und reden. Einfach nur reden. Okay?«
    »Ich fahr dich nach Hause.«
    Auf der Fahrt fiel kein Wort. Mit jeder zurückgelegten Meile wurde die Wahrscheinlichkeit, dass sie aus dieser Sache eine Freundschaft retten konnten, geringer, und bald war ihnen beiden klar, dass ihre Liebesgeschichte vorüber war, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Warum musste es nur so schrecklich schwer sein? Warum war es so gut wie unmöglich, einen Menschen zu finden, der ihr etwas bedeutete und dem sie etwas bedeutete?
    Als sie sich Green Lanes näherten, wurde das Schweigen so bedrückend, dass Azime es gar nicht mehr erwarten konnte, aus diesem Auto zu kommen. Sie bat ihn sogar schon ein ganzes Stück vom Haus ihrer Eltern entfernt, sie abzusetzen.
    Emin fuhr an den Straßenrand, dankte ihr für den Abend, die Hände dabei fest an das Lenkrad geklammert. Azime hätte schreien können vor Frust! Sie steckte in Höflichkeit fest wie in einem Sumpf. Wäre sie eine andere Art Mädchen gewesen, ein modernes britisches Mädchen, dann hätte sie jetzt nackt in seinen Armen gelegen, sich Seufzer um Seufzer in ihn verliebt – aber so konnte sie nur das Kompliment erwidern, dass es ein schöner Abend gewesen sei.
    Sie stieg

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