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funny girl

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Titel: funny girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony McCarten
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wird? Warum sind sie nicht angewendet worden? Warum? Wo sind die Gesetzeshüter? Und was kann ein Niemand wie ich tun, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen? Was?
    Halbherzig, in beiden Händen die Controller, die den vorderen Boxer steuerten, machte sie ein paar Bewegungen. Die durchscheinende, jungenhafte Figur in Blau erwachte zum Leben. Sie schlug mit den Fäusten in alle erdenklichen Richtungen, bis sie selbst einen Schlag ins Gesicht bekam – zack!  –, so dass ihr Kopf in den Nacken flog. Die Menge applaudierte diesem Treffer. Also machte Azime es jetzt, wie sie es bei ihrem Bruder gesehen hatte, verteidigte sich, hielt die Fäuste höher, und beim nächsten Angriff fing sie die Schläge mit den Handschuhen ab. Diesmal unverletzt, holte sie selbst zu einem weiten Haken aus. Sie traf und punktete. Die unparteiische Masse johlte. Wie machte Zeki das? Sie hatte noch eine vage Vorstellung, wie er seinen eigenen Kopf hin und her bewegt hatte, um ihn den Angriffen zu entziehen. So viele Leute, die Stillschweigen gelobten. Damit sie überlebten. Damit niemand Anstoß an ihnen nahm. Damit der Frieden gewahrt blieb. Aber was für ein Frieden war das? Wieder schleuderte sie die Fäuste, die Schläge erschienen auf dem Schirm. Aber sie kam nicht immer durch. Ihre Ausweichmanöver waren zu langsam, sie kassierte zwei weitere schwere Treffer am Kopf. Aber sie wehrte sich, schlug schneller und schneller zu – links, links, rechts, rechts, links  –, und jeder Schlag, der traf, produzierte ein kleines knallendes Geräusch. Bald spürte sie die Anspannung des Kampfes tatsächlich in ihren Armen, in Brust und Rippen.
    Überrascht von ihrer Wut, schlug und schlug und schlug sie zu, reckte sich, drehte sich, tänzelte auf der Stelle, machte eine Pirouette, verbuchte Treffer um Treffer, bis dem Boxer in Rot die ersten Sterne um den Kopf kreisten. Plötzlich musste sie weinen, und die Tränen kullerten ihr über die Wangen, während sie zuschlug und sich duckte und von neuem zuschlug. Als sie den letzten Treffer landete, den, der ihren Gegner zu Boden warf, ließ sie die Controller fallen, trat zurück und sank auf das Sofa, verbarg ihr Gesicht in den Händen.
    Die Menge applaudierte, Azime schluchzte, hielt sich die Hand vor den Mund, damit niemand sie hörte. Sie weinte um alles, um Banu, um ihre tote Freundin und auch um sich, zu Boden gegangen unter dem unmöglichen Druck, den andere auf sie ausgeübt hatten, aber auch unter ihrem eigenen Druck auf sich selbst. Es brach ihr das Herz, auch noch als auf dem Schirm der blaue Boxer zum Sieger durch K.   O. erklärt wurde und die siegreiche kleine Figur die Handschuhe hob und einen Freudentanz aufführte.
    Ihre Mutter war noch immer in der Küche beschäftigt, als sich Azime, ausgelaugt von Gefühlen und nach Gesellschaft dürstend, zu ihr setzte. Sabite machte aşure, als hätte sie geahnt, dass Azime es genau jetzt brauchte – Noahs Gericht, Azimes Lieblingsessen, kochte es in großen Mengen für das Fest des Fastenbrechens, das in zwei Tagen bevorstand und mit dem der Ramadan zu Ende ging. Sabite goss aus drei Schüsseln das Wasser ab, wo Kichererbsen, Bulgur und Rosinen schon seit langem weichten – irgendetwas wurde in Sabites Küche immer gerade eingeweicht. Sie schüttete alles in einen großen Topf und ließ die Masse aufkochen. Azime sah zu, wie ihre Mutter energisch rührte und allen Schaum von der Oberfläche abschöpfte. In alle Richtungen ging der Löffel, im Rühren war ihre Mutter Expertin. Sabite war stolz auf ihr Geschick im Zubereiten solcher Mahlzeiten, und eines Tages, stellte sie sich vor, würde Azime diese Gerichte für ihre eigenen Kinder kochen. Sabites Augen hatten klar und nüchtern die Aufgabe im Blick. Ihre Hakennase ließ diesen Blick umso konzentrierter wirken.
    Azime erzählte, dass sie gerade bei Banu gewesen sei. »Stell dir vor, wie schrecklich, sie wird vom eigenen Ehemann geschlagen.« Sie sprach nicht davon, was sie selbst verloren hatte – denn als Banu sich geweigert hatte, ihrer ältesten Freundin ihr Herz zu öffnen und ihren Mann anzuklagen, hatte Azime den Glauben an ihre wichtigste Verbündete verloren.
    Sabite rührte kommentarlos weiter und weigerte sich, jemanden zu verurteilen. Sie stellte ein Schneidbrett vor Azime hin und schob Schüsseln mit Aprikosen, Orangenschale, Nelken und Walnüssen zu ihr herüber. Langsam, nachdenklich, begann Azime, die Zutaten zu zerkleinern und zu zerhacken. Häusliches Leben: Das war es, was

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