Furchtbar lieb
Antwort. In Anbetracht des labilen Zustandes, in dem sich Krissie befand, rief sie die Polizei.
Die Sirene brachte die Jungs dazu, mit dem Spielen aufzuhören, und als die Sirene aufhörte, ging der Wecker an Krissies Armbanduhr an. Es war Zeit zum Beruhigen. Sie sprang auf und lief nach oben.
Als sie an ihrer Wohnungstür ankam, stand Sarah dort.
»Was machst du denn hier?«, fragte Krissie.
»Wo bist du gewesen? Ich habe die Polizei gerufen. Schnell, mach die Tür auf«, sagte Sarah.
»Was? Warum? Ihm geht es gut!«, sagte Krissie, als sie den Schlüssel im Schloss drehte. Sie gingen in Robbies Schlafzimmer und sahen, dass er vor Panik dunkelrot angelaufen war.
»He!«, sagte Krissie und nahm ihn hoch. »He, ist schon gut, es ist schon gut.«
Tränen schossen ihr in die Augen, als sie ihn so sah. Was hatte sie ihm angetan? Sie wiegte ihn sanft, und einen flüchtigen Moment lang verstand sie ihn. Sie verstand, dass er hübsch war, dass er es mochte, wenn sie ihn in ihren Armen hielt, dass nur seine Mutter ihn beruhigen konnte. Sie weinte mit ihm, und ihre Lippen waren nah an seinem winzigen Ohr. »Ich bin ja da, ich bin ja da.«
»Kontrolliertes Weinen«, erklärte sie Sarah. »Ich habeversucht, stark zu sein, wie es im Buch steht. Ich hatte das Babyphon dabei.«
Eine unangemessen gut aussehende Jungpolizistin klopfte einige Minuten später an die Tür. »Alles in Ordnung?«, fragte sie, als Krissie öffnete.
»Uns geht es gut. Ich war nur kurz beim Nachbarn. Ich habe ›kontrolliertes Weinen‹ angewandt, wissen Sie? Ihm beigebracht, wie man einschläft. Ich hatte das Babyphon dabei und wollte gerade zurückgehen, als Sarah ankam und Sie anrief.«
»Kontrolliertes Weinen? Das ist Quatsch, wenn Sie mich fragen. Besser, man nimmt sie mit zu sich ins Bett.«
»Scheiße, ich bin so blöd! Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, sagte Krissie. Sie warf das Erziehungsbuch in den Müll und trug Robbie in ihr Schlafzimmer.
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Kapitel acht
Als Sarah an diesem Abend ging, nahm ich Robbie mit zu mir ins Bett. Ich fühlte mich schuldig. Ich würde mich noch mehr anstrengen, sagte ich mir. Klar, der erste Tag meines Versuches, eine gute Mutter zu sein, war eine Katastrophe gewesen, aber ich würde nicht aufgeben. Während ich dort lag, nahm ich mir vor, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Ich würde auf dem Wohnzimmerboden mit ihm spielen, in der Wanne weiße Rauschebärte aus Badeschaum machen, ihm zur Einschlafzeit mit gescheiter Stimme Geschichten erzählen. All das würde ich selbstlos und mit großer Freude tun.
Ich schaute zu, wie er sanft neben mir auf dem Bett atmete – so winzig, so perfekt, so hilflos –, aber dann machte ich mir Sorgen, dass ich ihn ersticken könnte, wie es Frasers Mutti gesagt hatte. Also lag ich stocksteif da, und während mein rechter Arm schmerzhaft kribbelte, hörte ich zu, wie die Stunden auf meinem Wecker tickend vorübergingen.
***
Ich musste immer noch eine Woche bis zu dem Urlaub durchstehen. Am ersten Morgen erwachte ich in einem herrlichen, fünfsekündigen Zustand des Vergessens, in dem alles nebulös und schmerzlos war. Dann räkelte ich mich, und mir fiel ein, was ich am Abend zuvor getan hatte. Ich hatte Robbie allein gelassen, um mit meinem idiotischen Nachbarn zu vögeln. So sah es also aus, wenn ich mir Mühe gab! So sah es aus, wenn ich eine gute Mutter war!
Ich seufzte, als ich Robbie ansah, der neben mir im Bettgluckste – völlig abhängig von mir, völlig hilflos und mir ausgeliefert.
Es dauerte zwei Stunden, ehe wir beide gefüttert und angezogen waren. Dann rumpelte ich mit dem Kinderwagen vier Treppen hinunter, einen langsamen Schritt nach dem anderen. Mein Rücken tat weh, als ich unten ankam. Ich öffnete die schwere Vordertür, aber sie fiel zu, ehe wir es schafften, hinauszukommen. Ich verbrachte einige Minuten mit dem Versuch, uns aus dieser Situation zu befreien, zum Vergnügen mehrerer hilfsunwilliger Passanten. Dann ging ich im Regen durch drei Straßen voller Schlaglöcher und Studenten, die physisch außerstande zu sein schienen, Babys zu sehen. Ich war durchnässt und erschöpft, als ich den Kinderwagen im Rückwärtsgang die Treppe zu Kyles Praxis hochzerrte.
Kyle sah hier anders aus. Offiziell und ernst. Ich hatte ihn noch nie bei der Arbeit gesehen, und seine linkische Steifheit hätte mich zum Lachen gebracht, wenn ich nicht gekommen wäre, um über mein schreckliches Versagen zu reden.
»Eine postnatale Depression ist kein Versagen«,
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