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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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nach Drymlee hinausfuhr, wusste er, dass heute der Tag war, an dem er die Entscheidung treffen würde. Er musste nur noch die Baufirma bestellen und irgendwo hinzeigen, und schon würden sie das Zementfundament gießen. Das würde aushärten. Ende der Geschichte.
    Er hatte gerade seinen Liegestuhl auf dem Grundstück aufgestellt, als sein Handy klingelte.
    »Hallo?«
    »Wir haben den Auftrag!« Es war Paul, der Kameramann. »Ab Montag sind wir in der Vorproduktion.«
    »Mein Gott! Fantastisch!«
    Mike legte auf und atmete tief durch. Dann ging er zum Auto und fuhr in hohem Tempo über die Landstraße, durch mehrere Verkehrskreisel und zurück auf die Straße nach Norden. Vorfreudige Erwartung erfüllte ihn. Dieses Geschäft, es machte einen süchtig. Wie ein Alkoholiker, der mit Geld in der Tasche zum Getränkeladen geht, stand Mike kurz davor, von einem Kribbeln befreit zu werden. Alles andere würde warten müssen.
    Mikes Liegestuhl war auf dem Grundstück zurückgeblieben. Leer stand er auf der Wiese am Ende der Welt.
    ***
    Netty stand auf dem Treppenabsatz und plauderte mit Jim, dem Nachbarn aus dem Stockwerk unter ihr, als Mike zurückkam. Jim hatte in Glasgow einen Laden für Comicartikel, und er ließ sich gern lang und breit darüber aus. »Meine Vision ist, dass ich eines Tages Geschäfte überall zwischen Glasgow und Edinburgh habe – und in allen kann man Daffy-Becher kaufen!«, hatte er Mike letzte Woche anvertraut. Aber Netty und Jim hatten nicht über Daffy gesprochen, als Mike sich seiner Wohnungstür näherte, dessen war er sich sicher. Sie unterhielten sich über ihn, und sie gaben sich nicht einmal Mühe, es zu verbergen.
    »Mike!«, sagte Netty. »Jim sagte gerade, was für großartige Arbeit Sie da drüben leisten. Wir wüssten wirklich nicht, was wir ohne Sie machen sollten.«
    Mike plauderte so offen, wie er konnte. Er hatte nichts zu verbergen, trotz ihres offenkundigen Misstrauens. Der Verkehr in Glasgow sei schrecklich gewesen. Er habe gerade erfahren, dass er eine Dokumentation an Land gezogen habe. Der Spielplatz sei in höchstens einer Woche fertig. Ja, das Wetter sei aufgeklart. Als Isla ihren Kopf aus Nettys Wohnungstür steckte, versicherte er ihr, dass sie sich keine Sorgen machen müsse: Seine vorzeitige Rückkehr gefährde nicht ihr Wochenende mit dem Welpen. Sie quietschte vor Freude, als Mikes kleiner Labrador übermütig nach ihren Beinen schnappte und dann an seinem Herrchen hochsprang.
    »Lassen Sie mich die Begonie dort in mein Seitenfenster stellen. Sie braucht ein bisschen Sonne«, sagte Mike. Er schob den Welpen mit dem Bein zurück und winkte seinen Nachbarn zum Abschied zu.
    »Danke«, sagte Netty und reichte Mike die Pflanze. »Ach übrigens, Mike«, sagte sie mit, wie ihm schien, wissendem Blick, »bis zum Guy-Fawkes-Tag wird doch alles fertig sein, oder?«
    »Aber sicher.«
    »Damit wir uns alle nach dem Tee unten treffen können? Zum Feuerwerk?«
    »Selbstverständlich.«
    Netty seufzte, als Mike in seine Wohnung ging. Nach ihrer Scheidung mit sechsundfünfzig war sie zu dem Schluss gekommen, dass alle Männer Schweine seien, und mit dieser Überzeugung hatte sie sechzehn Jahre lang glücklich gelebt. Aber dann war Mike eingezogen – der gutaussehende, höfliche, hilfsbereite, ehrliche, gefühlvolle Mike –, und das hatte ihre Theorie über den Haufen geworfen.
    Mike schloss die Tür hinter sich und seufzte ebenfalls. Jetzt geht es also wieder los, dachte er.

[Menü]
    Kapitel elf
    Here I go again on my own,
    Goin’ down the only road I’ve ever known,
    Like a drifter I was born to walk alone …
    Mein iPod war voll aufgedreht, und Glasgow schwirrte am Fenster vorbei. Ich hatte mich mit Sarah und Kyle am Bahnhof Milgavnie verabredet, dreißig Minuten Zugfahrt von zuhause entfernt. Ich hatte es vermisst, allein zu verreisen. Niemand in diesem Zug wusste, wer ich war; niemand wusste, dass meine Vagina vor Kurzem genäht worden war und dass ich ein neun Monate altes Baby hatte. Ich war einfach eine junge Frau mit ihrem iPod in einem Zug. Die Dinge sahen allmählich gar nicht mehr so schlecht aus. Es würde mir gut gehen. Die Sonne schien, und selbst die Vororte von Glasgow mit ihren grauen, kiesdurchsprenkelten Bungalows wirkten hübsch.
    Von der Musik bekam ich nach einigen Minuten Kopfschmerzen. Plötzlich fürchtete ich, dass Sarah und Kyle nicht kommen würden. Ich hatte Sarahs Missbilligung gespürt, als sie Zeugin des katastrophal verlaufenen Experiments mit

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