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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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der Polizeiwagen den Abhang hochkam.
    Ich öffnete rasch die Haustür, kämpfte mich mit meinem sehr schweren und jetzt auch noch schreienden Kind die Treppe hoch, betrat die Wohnung und schloss die Tür hinter mir ab.
    Ich hatte erwartet, dass meine Wohnung auf irgendeine Weise meine Verfassung widerspiegeln werde, aber sie sah genau so aus, wie ich sie zurückgelassen hatte: sauberer neuer Holzboden, Kunst an den Wänden, behagliche Wohnküche mit zahllosen Gewürzen, bequeme Sofas und viel helles Licht. Als ich noch glücklich gewesen war, hatte ich jedes Mal, wenn ich die Tür zu dieser Zufluchtsstätte geöffnet hatte, einen Seufzer der Genugtuung und Zufriedenheit ausgestoßen. Ich hatte die Fenster geöffnet und die Luft hereingelassen.
    Diesmal ließ ich meine Sachen neben dem Buggy in der Diele fallen, umarmte Robbie und legte ihn in sein Baby Gym. Dann rannte ich durch die Wohnung und schloss alle Jalousien. Schließlich griff ich mir eine Flasche Rotwein, öffnete sie und fing zu trinken an. Aus dem Wohnzimmer hatte ich meine Seitenstraße und die rechtwinklig dazu verlaufende Hauptstraße gut im Blick. Ich spähte durch einen Spalt in den hölzernen Jalousien, und dort sah ich ihn stehen.
    Den Polizisten.
    Ungefähr eins fünfundsiebzig, männlich, mit Mütze und Funkgerät. Er stand neben dem Café auf der Hauptstraße und versuchte allem Anschein nach, unverfänglich zu wirken.
    Es funktionierte nicht. Ich wusste, dass er mich beobachtete. Wusste, dass er jeden Moment unauffällig einen Blick nach oben werfen würde, um zu prüfen, ob ich noch da wäre. Wusste, dass er auf bewaffnete Unterstützung wartete, die ihm helfen sollte, meine Wohnung zu stürmen, mir Handschellen anzulegen, mich die Treppe hinabzuzerren, die Straße entlang, während mein krankes Kind zusah und das Trauma sein Gehirn mit der Intensität von Roter Bete färbte.
    Er sah zum Fenster hoch, genau wie ich es erwartet hatte, und ich trat rasch von der Jalousie zurück.
    Ich musste meinen Plan überdenken.
    Ich nahm an, dass Matt Sarah gefunden hatte. Vielleicht hatte ich oben auf dem Berg etwas fallenlassen, oder es gab Spuren an der Stelle, wo Sarah aufgeschlagen war. Irgendwie musste er ihre Leiche gefunden und sofort die Polizei verständigt haben.
    In diesem Fall hatte ich zwei Optionen: entweder gestehen, Robbie verlieren und für immer ins Gefängnis gehen – oder nicht gestehen, Robbie nicht verlieren und nicht für immer ins Gefängnis gehen.
    Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit, und das bedeutete, dass ich auf der Flucht vor dem Gesetz war.
    Ich war noch nie zuvor auf der Flucht vor dem Gesetz gewesen, und mein Mangel an Erfahrung führte zu armseligen und unüberlegten Entschlüssen.
    Zunächst buchte ich über das Internet zwei Flugtickets nach Indien. Ich würde mit Robbie nach Goa fliegen, wegen der schönen Erinnerungen an die Zeit, die Chas und ich dort verbracht hatten. Wir würden in einem Haus am Strand wohnen und niemand würde uns finden. Die Tickets kosteten zwölfhundert Pfund, die ich mit meiner Visa-Karte bezahlte.
    Als Nächstes stöpselte ich mein Telefon und die Gegensprechanlage aus und fuhr den Computer herunter.
    Dann steckte ich die Pässe ein. Zum Glück hatte Robbie seit dem Italien-Desaster einen Pass. Zumindest etwas Positives war dabei herausgekommen – wir konnten dem Gesetz nicht nur davonlaufen, wir konnten ihm davonfliegen.
    Als Nächstes stopfte ich einige Kleidungsstücke, Toilettenartikel und Kopfschmerztabletten in meinen Rucksack.
    Danach schrieb ich einen Brief an meine Eltern, zerriss ihn und schrieb einen neuen Brief, den ich ebenfalls zerriss. Was sollte ich ihnen sagen?
    Ich spähte wieder durch die Holzjalousie und sah, dass der Polizist immer noch an derselben Stelle stand. Durch die Vordertür konnte ich also nicht verschwinden. Ich sah auf der Rückseite hinaus. Marco hantierte mit irgendwas bei den Mülltonnen herum. Ich würde auf anderem Weg aus der Wohnung fliehen müssen.
    Ich erinnerte mich, dass mal jemand vom Dachboden aus bei der alten Schachtel gegenüber eingebrochen war. Der Typ war durch die kleine quadratische Öffnung im Treppenhaus hochgekrochen und hatte sich durch die Decke des Badezimmers nach unten gearbeitet.
    Ich entschloss mich, das Gleiche zu tun – über die Dachböden der Mietshäuser zu kriechen (die alle miteinander verbunden waren), durch ein Einstiegsloch in ein anderes Treppenhaus zu wechseln und zur Tür hinauszugehen. Es war

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