Furious love
von Graham Greene, Edward Albee oder Tennessee Williams? Er hatte ein anderes Verständnis vom Film als Elizabeth – sie wäre ein brillanter Stummfilmstar gewesen.
Viel wahrscheinlicher ist, dass Burton die Botschaft, nicht die Qualität des Textes zusetzte (das kluge, eloquente Drehbuch wurde immerhin für den Oscar nominiert). Wieder einmal wurde ihm der Wendepunkt in seinem Leben vor Augen geführt. Wenn er als Heinrich VIII. sagt: »Ich werde Anna heiraten, und wenn die Erde in zwei Stücke zerbricht wie ein Apfel und die beiden Hälften ins Nichts fallen!« – wie konnte er da nicht an die Zeit denken, in der er selbst die Welt in zwei Hälften teilte, um eine Frau loszuwerden, damit er eine andere heiraten konnte? Und falls er es dennoch hätte vergessen können, war das Drehbuch mit Hinweisen gespickt: Heinrich nennt seine erste Frau, Königin Katharina von Aragón, Kate – der Name von Burtons ältester Tochter sowie der Figur, die Elizabeth in Der Widerspenstigen Zähmung drei Jahre zuvor nahezu perfekt verkörperte. Außerdem gab es in dem Film zwei Elizabeths: Anne –
im Film Anna – Boleyns Mutter und natürlich Boleyns und Heinrichs Tochter, Elisabeth I., die wohl größte Königin Englands. Und dann war da noch Richards eigene Elizabeth als Statistin, die geschmückt mit La Peregrina jede Königin in den Schatten stellte. Jeden Abend verließ Burton die Shepperton-Studios mit trüben Gedanken über seine Arbeit, um die zwei Stunden zurück nach London zu fahren, zur Kalizma.
Wenigstens arbeitete Richard wieder, und zwar mit den besten Profis – Anthony Quayle spielte Kardinal Wolsey und Michael Hordern Anne Boleyns Vater (Hordern sei »kein Hohlkopf, sondern schlau wie eine Schlange«). Er besaß immer noch genügend Respekt für die Schauspielerei, um sich von Quayles ausgewogener Präzision und Horderns schlitzohriger Art, von ihren Tricks und ihrer Gewieftheit beeindrucken zu lassen. »Sie haben jedes nur denkbare Schulterzucken, Nicken, Winken, jeden Seitenblick und jedes Augenrollen in petto.« Michael Hordern muss an einer Stelle nur »Ja, Euer Gnaden« sagen, und diese von ihm auf seine unnachahmliche Art gesprochenen drei Worte erschienen Burton »fast länger als Hamlet«. Doch sein eigenes Spiel nervte ihn. Einmal fragte er bei den Dreharbeiten: »Was kommt als Nächstes?« Als man ihm sagte, es werde nur eine Großaufnahme geben, bestand er darauf, seine Straßenkleidung – Hosen und Schuhe – anzubehalten und nur den oberen Teil seines Kostüms zu tragen. Regisseur, Kameramann und die übrige Crew waren etwas verwundert, Heinrich VIII. in Kleidern zu sehen, die auch in den Pub von gegenüber passen würden. Ref 490
Geneviève Bujold – hervorragend in ihrer Rolle – rief in Elizabeth wieder einmal das grünäugige Monster der Eifersucht herbei, das beide Burtons gelegentlich wie aus heiterem Himmel überkam. Immerhin war dies seit Der Spion, der aus der Kälte kam der erste Film, in dem Burtons Filmfigur eine andere Frau begehrt als Elizabeth – und damals bei Claire Bloom war das Misstrauen ja durchaus angebracht gewesen. Als Richard Geneviève spaßeshalber den Spitznamen »Gin« gab, befürchtete Elizabeth schon das Schlimmste. Das hatte er als junger Mann immer nur bei Schauspielerinnen getan, mit denen er auch schlief. Die britische
Presse mischte kräftig mit und spekulierte ihrerseits über eine Affäre zwischen Burton und Bujold.
Die Burtons hatten während dieser Dreharbeiten keine leichte Zeit. Als sie eines Nachmittags miteinander schlafen wollten, blutete Elizabeth auf einmal stark, weil sie wieder ganz unglamourös unter Hämorrhoiden litt. Richard versuchte sie zu beruhigen, aber die nachmittägliche Idylle war dahin. Außerdem machte so ein Vorfall die Anwesenheit der kleinen, jungen »Anne« noch mehr zu einem Stachel. Elizabeth war ohnehin sauer, weil Richard seiner Filmpartnerin Ähnlichkeit mit Vivien Leigh bescheinigt hatte, mit der Elizabeth selbst früher häufig verglichen wurde. Über zehn Jahre zuvor war sie in Elefantenpfad für die ältere Kollegin eingesprungen, weil sie ihr äußerlich glich. Würde sie nun, wie so viele Frauen mittleren Alters, von ihrem Mann durch eine jüngere Version ihrer selbst ersetzt?
Burton schien Elizabeths Ängste nicht zu bemerken. Auf den langen Rückfahrten nach London versuchte er, sich die Rolle schmackhaft zu machen. Er beschloss, Heinrich zu spielen wie »einen dämonischen Charmeur, der zu gewaltigen
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