Furious love
Wahrscheinlich, weil ich nüchtern bin. Merkwürdig, aber nicht schlecht. Kannst Du Dir vorstellen, dass Dein Mann nüchtern nach Hause kommt? Ich kann es selbst kaum, aber diesmal habe ich es mir fest vorgenommen. Ich meine es ernst. Der Mistkerl in mir hat beschlossen, aufzugeben und die weiße Fahne zu schwenken. Lies mein Tagebuch.
Da steht ein bisschen über Dich drin. Ich dachte, vielleicht interessiert es Dich, wie es ist, Dich zu vögeln.
In Eile, Dein Mann. Ref 605
Aber auch dieser erneute Versuch, trocken zu bleiben, scheiterte bald. Dmytryk hatte schon mit anderen Alkoholikern zusammengearbeitet, zum Beispiel mit Montgomery Clift bei Das Land des Regenbaums oder auch Spencer Tracy, der periodisch trank, »Monaten der Abstinenz folgten eine oder zwei Wochen, in denen er zügellos und fies wurde. Clark Gable trank nicht vor halb sechs nachmittags, man konnte also den Tag über mit ihm arbeiten.« Und Burton? Sein Regisseur »sah, wie er von Woche zu Woche älter wurde. Wir kaschierten das mit den üblichen Beleuchtungstricks.« Ref 606 Ref 607
Eines Tages kamen Burtons vierzehnjährige Töchter Liza und Kate in seine Garderobe und stellten ihren Vater wegen seines Alkoholismus zur Rede. Sie baten ihn eindringlich, mit dem Trinken aufzuhören. Auch beim Gefolge beschwerte sich Kate. Schließlich war immer jemand hinter der Bühne oder am Set mit Bloody Marys oder Wodka Martinis zur Stelle gewesen. »Du bist sehr hart zu deinem Vater«, fand einer von ihnen. Aber sie musste das tun. Sie sagte ihrem Vater, wenn er nicht aufhöre zu trinken, wolle sie ihn nie wieder sehen. Ref 608
Und trotzdem schaffte er es nicht.
Im Rückblick meinte Dmytryk, Elizabeth habe damals (fast) genauso viel getrunken wie Richard, aber: »Sie war in jeder Hinsicht stärker als er.« Beim Interview für die Fernsehsendung von David Frost, der eigens dazu nach Budapest kam, schienen jedoch beide ziemlich angetrunken. Richard erzählte etwas von seinem Adoptivvater Philip Burton und rezitierte Passagen aus dem Alten Testament. Elizabeth sprach über die Juwelen, den Taylor-Burton- und den kleinen Pingpong-Diamanten, die sie beide trug. Ref 609
Das komplette zweistündige Interview, das Richard und Elizabeth in deutlich alkoholisiertem Zustand im Blaubart -Studio zeigte, wurde am
20. und 21. März 1972 ausgestrahlt. Sie kannten Frost von den Dreharbeiten zu Hotel International , in dem der Fernsehmoderator sich selbst gespielt hatte. Er war einer derjenigen, denen sie vertrauten. Doch diesmal hatte er sich nicht die Mühe gemacht, Elizabeths langes Schweigen und ihr Lallen, das den Jack Daniel’s geschuldet war, die sie während des gesamten Interviews im Off kippte – herauszuschneiden. Elizabeth gab später zu, dass sie sich lächerlich, gemacht hatte. Burton war das egal.
Ihm war einfach alles zu viel. Der Kummer und die Schuldgefühle wegen Ifors Tod waren unerträglich, und Burton kannte nur einen möglichen Umgang damit: sie in Alkohol zu ertränken. Der Kummer stand ihm auf die Stirn geschrieben. Wie man seine Privatsphäre in der Öffentlichkeit wahrt, war das Einzige, was sie ihm über den Umgang mit Ruhm nicht beibringen konnte. Sie hatte schon in ihrer 1965 erschienenen Autobiographie Elizabeth erklärt: »Ich schulde dem Publikum, das Eintritt bezahlt, um mich zu sehen, die beste Performance, die ich geben kann. Und in meinem Privatleben habe ich Verantwortung den Menschen gegenüber, die unmittelbar mit mir zu tun haben.« Burton bekam diese Trennung zwischen privatem und öffentlichem Leben letztlich nicht hin und zerbrach unter dem Druck. Ref 610
Die Anwesenheit von sieben atemberaubenden, halbnackten Frauen, mit denen er vor der Kamera für Blaubart schlafen musste, stellte eine geradezu absurde Versuchung für ihn dar. Richard wirkte in dem Film, der im August 1972 herauskam, wie ein Roboter, der dem Charme der Damen stoisch widersteht. Doch hinter der Kamera flirtete er heftig mit seinen Filmpartnerinnen. Eine Ohrfeige hatte Elizabeth ja schon ausgeteilt.
Um ihren Argwohn zu besänftigen, schrieb Richard ihr einen herzerweichenden Brief – möglicherweise eine unheimliche Vorausahnung seines Todes:
Hotel Duma Budapest:
Mein Liebling,
ich glaube, ich sollte jetzt besser erst einmal im kleinen Schlafzimmer mit mir ins Reine kommen. Versuch auch auszuruhen. Ich wäre sehr dankbar, wenn Du öfter mal Deinen Kopf – Deinen schönen Kopf – durch die Tür stecken könntest (nachdem Du sie geöffnet hast,
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