Furor
jedem mindestens ein Telefon und ein Computerbildschirm, ansonsten Stapel von Zeitungen und Journalen, Zettel, Stifte. An den Wänden hingen Bilder, Fotos, Kalender. Große Papierkörbe, jeder mindestens halb gefüllt, standen herum. Es herrschte ein unglaublicher Lärm. Stimmengewirr, Telefonklingeln,zwei Faxgeräte ratterten vor sich hin. Ein Mann in blauem Kittel rempelte Sebastian an und eilte, ohne sich zu entschuldigen, weiter, dicke Mappen unter beide Arme geklemmt. Weiter hinten im Raum sah Sebastian, wie ein junger Mann wutentbrannt die Tastatur seines PCs malträtierte.
Streithammer ging zu einem der Schreibtische und zog ein Notizbuch aus einem Papierstapel. Er notierte sich etwas auf einem Zettel, den er in seine Hemdtasche steckte. Dann wechselte er noch zwei Worte mit seinem Schreibtisch-Nachbarn.
»Wie kann man bei diesem Krach eigentlich arbeiten?«, fragte Sebastian ihn, als Streithammer schließlich nach seinem Arm griff und ihn zu einem PC hinten im Raum führte.
»Krach?« Streithammer legte eine Hand hinter sein Ohr. »Junge, das sind die Geräusche, die entstehen, wenn man Regierungen stürzen lässt, Politiker zu Menschen oder Monstern macht. Lausch der mächtigen Musik . . .«
Der Redakteur wies auf den verwaisten Rechner. »Den kannst du benutzen.« Er tippte einige Befehle in die dazugehörige Tastatur. Dann deutete er auf den Bildschirm vor seiner Nase. »Das ist unser Archiv. Versuch mal, ob du hier weiterkommst.« Streithammer blieb jetzt offenbar beim Du. Er machte den Stuhl für Sebastian frei. »Wir haben hier alles ab den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts im Speicher; was älter ist, steckt in Aktenordnern. Das Scannen dauert eben auch seine Zeit, und die aktuellen Sachen haben Vorrang.«
»Kein Problem«, antwortete Sebastian. »Ich muss nicht so weit zurück.« Er setzte sich.
»Ich nehme an, hier sind auch spanisch- und portugiesischsprachige Zeitungen gespeichert?«
»Klar, Junge, alles, was du willst, ist hier gespeichert. Allerdings sind die Bilder aus dem ›Playboy‹ ziemlich grob gerastert.«
Sebastian beschloss, die Bemerkung zu ignorieren. Der Bildschirm zeigte die klassische Maske einer Suchmaschine. Der Redakteur begann, ihm das Programm zu erklären.
»Du gibst hier die Stichworte ein, die du hast. Je mehr, desto besser. Wenn du zum Beispiel Amerika eingibst, listet der Computer erst gar keine Artikel auf, sondern Uncle Sam erscheint und zeigt dir einen Vogel, weil vermutlich so um die drei Trilliarden Artikel mit dem Stichwort Amerika allein im Titel existieren. Hier kannst du den Zeitrahmen eingeben, in dem ein gesuchter Artikel erschienen ist.« Streithammer tippte mit dem Zeigefinger auf die jeweiligen Stellen auf dem Bildschirm, sein Fingernagel klackte gegen die Scheibe. »Am besten fährst du mit ganz genauen Angaben. Etwa: S TELLUNGNAHME DER R OYAL S OCIETY OF E CONOMY, L ONDON, ZUM I MPORTRÜCKGANG DELIRIÖSER BURMESISCHER E ICHKUCHKÄTZCHEN AB DEM 11.11.1888 IM B RITISH E MPIRE . Da kommen dann vermutlich nicht mehr als fünf oder so. Artikel meine ich, nicht Eichkuchkätzchen. Klar?« Streithammer sah Sebastian an und wartete auf einen Kommentar oder eine Frage. Sebastian hatte weder noch.
»Also gut, ich muss arbeiten.« Der Redakteur ging zu seinem Platz zurück und begann, in den Papieren auf seinem Schreibtisch zu wühlen.
»Danke, ich komme schon klar«, rief Sebastian ihm hinterher und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Er holte seine Notizen aus der Jacke, kramte seine paar Spanisch-Brocken zusammen und tippte dann seine Suchbegriffe in das dafür vorgesehene Feld:
San Mateo, General Bartolo, Terroristen, IS/ STA, Dietz, Steadman, Wallroth, Koch, Berthold, Raabe, Katastrophe.
Dann stellte er die Suchmaschine so ein, dass sie möglichst viele Begriffe zusammen finden sollte, egal in welchem Zusammenhang, aber mindestens zwei gleichzeitig.
Beginnen sollte der Rechner seine Suche ab dem Tag, an dem sein Vater im Tagebuch die Katastrophe eingetragen hatte, als Zeitrahmen gab er die zwei darauffolgenden Wochen an. Dann startete er die Recherche. Die einzelnen Begriffe blitzten immer wieder auf, vermutlich jedes Mal, wenn ein Treffer gelandet worden war. Die rückwärts laufende Zahl am unteren Rand des Bildschirms schien die Anzahl der infrage kommenden Artikel zu sein. Nach etwa einer Minute stand dann dort eine
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. Enttäuscht wollte Sebastian von vorn anfangen, als er in der rechten Ecke den Hinweis ›
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‹ sah.
Mit der
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