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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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Vaters gewesen. Er hatte oft davon gesprochen, geistiges Potenzial umzuleiten und es sinnvoll zu nutzen.
    »Ich habe die Intelligenztests bestanden, und meine soziokognitiven Funktionen sind völlig intakt«, erklärte Hobbes. »Ein prima Präfrontalcortex. Bei mir hat einfach nur der Hintergrund nicht gestimmt, okay?« Er klang nicht bitter. Seine Worte kamen sachlich, beinahe emotionslos. Es war halt so, und fertig. Niemand sprach über die Stipendiaten, das war schlechter Stil. Sie schafften es oder nicht. Sebastian wurde klar, wie wenig er wirklich über den Freund wusste. Hobbes hatte nie darüber gesprochen, und die anderen hatten nicht danach gefragt. Sebastian musste zugeben, dass er, wie die meisten Menschen, mehr redete als zuhörte. Vom Fragen ganz zu schweigen. Er gab dem Freund die Pistole, der sie in seiner Jacke verstaute.
    »Tust du mir einen Gefallen, Sebastian? Ich habe mit euch nie darüber gesprochen, wo ich herkomme. Und ich wollte, dabei würde es bleiben«, erklärte Hobbes. Sie saßen in der Cafeteria, vor sich eine Auswahl von Kuchenstücken.
    »Ich weiß, dass euch das egal ist, dass ihr nichts darauf gebt und so weiter. Und ich schäme mich auch nicht für meinen Stammbaum. Man kann sich ja nicht aussuchen, aus welchem Loch man kriecht. Aber ich hab einfach oft genug mit Vorurteilen zu tun gehabt – die sich ja der rationalen Ebene entziehen. Gefühle, die du nicht änderst, indem du einfach darüber nachdenkst.«
    Hobbes strich sich die Haare hoch, so dass sie über der Stirn senkrecht nach oben standen. In derselben Sekunde hingen sie ihm schon wieder vor den Augen.
    »Das ist wohl wie mit der Liebe. Wir wissen, dass es bloß um diese Anziehungskraft geht, die zwei Menschen aneinander binden soll, damit Nachwuchs gezeugt wird. Trotzdem bleibt es ein schönes Gefühl, zu lieben und geliebt zu werden. Und wenn ich Dichter wäre, dann würde ich trotz dieses Wissensum Triebe und Evolution Aug’ und Brust meiner Angebeteten preisen. Auch wenn mein eigentlicher Wunsch der ist, sie zu du-weißt-schon-was.« Hobbes grinste Sebastian an. »Oder pflegst du gegenüber Frauen trotz deines Verstandes etwa nicht das Vorurteil, sie wären geheimnisvolle, sanftmütige Wesen?«
    Sebastian schüttelte lachend den Kopf. »Erzähl mir von dir, so wenig du willst. Ich hoffe trotz allem, dass ich dich nach dem beurteile, was ich von dir weiß. Aber . . . sind Frauen etwa keine geheimnisvollen, sanftmütigen Wesen?«
    »Okay, hören wir auf mit dem Reden-wir-drüber« , schlug Hobbes vor. »Hobbes, der echte Hobbes, sagt dazu übrigens: Dieser Druck wirkt vermittels der Nerven und Fasern sofort innerlich auf das Gehirn und von da auf das Herz. Von hier aus entsteht ein Widerstand und ein Gegendruck oder ein Streben des Herzens, sich durch eine entgegengesetzte Bewegung von diesem Drucke zu befreien, und diese wird sichtbar. Diese Erscheinung heißt Empfindung . Alles klar?«

25. April, früher Abend
    Durch die Bürotür konnte Sebastian hören, dass Wallroth an seinem Computer arbeitete. Als er klopfte, hörte das Klappern der Tastatur auf.
    »Herein!« Das klang etwas ungehalten.
    Wallroth sah nicht gut aus. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen, auf den Wangen lag ein Schatten. Diesmal fiel seine Begrüßung weniger herzlich aus. Es war offensichtlich, dass er zu wenig geschlafen hatte und unter extremem Stress stand. Aber er lächelte Sebastian an.
    »Hallo, mein Sohn. Wie geht es dir heute?«, fragte er müde.
    »Es geht so«, antwortete Sebastian. »Ich muss dich etwas fragen.« Er kam zum Schreibtisch herüber und stützte sich aufdie Platte. Wallroth lehnte sich in seinem Sessel zurück und begann, leicht zu wippen. Die Federn des Möbels quietschten unter dem Gewicht des kräftigen Mannes.
    »Was gibt es denn?«
    »Wieso hast du mich angelogen?«, fragte ihn Sebastian.
    Das Wippen hörte abrupt auf. Wallroth lehnte sich nach vorn.
    »Womit habe ich dich belogen?«, fragte er zurück, bei weitem nicht so irritiert, wie Sebastian es erwartet hatte.
    »Ich weiß jetzt, was in Peru geschehen ist.« Sebastian machte eine Pause. Wallroth schien etwas sagen zu wollen, aber dann blieb er still, bereit, weiter zuzuhören.
    »Ich habe ein wenig recherchiert, und es passt alles zusammen. Und . . . mein Vater war . . . er war an diesem . . . Massaker beteiligt. Das ist es doch, was er in seinem Brief schreibt. Oder?«
    Wallroth hatte einen Bleistift vom Schreibtisch genommen und spielte nachdenklich damit herum.

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