Fußball-Gangster
niemand den Knall gehört. Er drehte sich zum Campingwagen um. Durch die offene Tür verzog sich langsam grauer Rauch. Justus wunderte sich, dass nichts zerstört worden war. Nicht einmal die Fenster waren zu Bruch gegangen.
Er hielt sich die Nase zu, kehrte ins Büro zurück, nahm den Brieföffner zur Hand und hob mit ihm das halb zerfetzte Kuvert auf. Dann ging er wieder nach draußen und zog ein Taschentuch aus der Hose. Damit nahm er das Kuvert zwischen Daumen und Zeigefinger und holte das weiße Papier heraus, das fast unversehrt in dem Umschlag steckte. Vorsichtig, um mögliche Fingerabdrücke nicht zu verwischen, öffnete er das Blatt.
»Fußball Findet Falsche Freunde«, stand da zu lesen. Mit einem Blick registrierte Justus, dass die Buchstaben einzeln aus Zeitungen ausgeschnitten worden waren. »Freitag Finger Feg Fon Football-Fans! Fafnir Feuert Feuerstein!«
Zwanzig Minuten später knatterte Bobs orangefarbener VW-Käfer auf den Schrottplatz. Justus hatte den Fachmann für Recherchen sofort alarmiert. Er war im Team der Detektive außerdem für die Archivierung der Fälle verantwortlich, gab aber auch einen brauchbaren Kriminaltechniker ab.
»Schöne Schweinerei!«, sagte Bob und rümpfte die Nase.
»Trotzdem haben wir Glück gehabt.« Justus stutzte. »Habe ich Glück gehabt«, verbesserte er sich. »Wenn da Sprengstoff drin gewesen wäre …«
Während Bob den Koffer mit allen notwendigen Utensilien aus dem Schrank holte, lief Justus zum Wohnhaus. Zwei Minuten später war er zurück, mit einem Ventilator unter dem Arm. »Ist zwar schon ziemlich altersschwach«, meinte er, »aber vielleicht besser als gar nichts.«
Das Einzige, was passierte, als er den Stecker einschob, war, dass eine kleine Stichflamme emporschoss und erneut ein lauter Knall ertönte. Justus ließ einen Fluch vom Stapel.
Bob machte sich inzwischen über den Drohbrief her. Laut Poststempel war er vor zwei Tagen in Los Angeles aufgegeben worden. Vorsichtig streute er ein graues Pulver über das Blatt. »Vielleicht haben wir Glück und es gibt noch schöne, saubere Fingerabdrücke«, murmelte er. Das Kuvert unterzog er derselben Prozedur. Dann holte er mit einer Pinzette ein schmales Stück Karton aus dem Kuvert. Er nickte anerkennend und zeigte Justus den Zünder, der auf dem Karton montiert war. Dann verstaute er den Umschlag in einer Klarsichthülle, setzte sich an den Schreibtisch und nahm den Mechanismus der Zündung unter die Lupe.
»Und?« Justus beugte sich von hinten über ihn.
»Das Stinkpulver war in einem Plastikröhrchen untergebracht. Und dieses Rohr hier war durch einen Faden mit der Lasche des Umschlags verbunden. Als du mit dem Brieföffner daran gekommen bist, ging die Sache los.«
»Das heißt, dass unter das Stinkpulver irgendein Sprengstoff gemischt worden sein muss«, kombinierte Justus.
»Richtig. Und zwar in der genau ausreichenden Dosierung.« Er legte die Lupe aus der Hand. »Da war ein Fachmann am Werk. Dieses Pulver werde ich mir genauer ansehen.« Er stand auf und verschwand hinter dem dicken Vorhang, der das Labor abtrennte.
Justus rief ihm nach, sie müssten als Erstes herausfinden, aus welchen Zeitungen die Buchstaben stammten. »Am besten mit dem Datum der jeweiligen Ausgabe.«
Bob kam hinter dem Vorhang hervor. »Dauert zehn Minuten«, meinte er. »Dann hab’ ich das Mischungsverhältnis heraus.« Er sah Justus über die Schulter. »Fußball-Fan ist der Absender garantiert nicht. Aber Anhänger von Alliterationen.«
Justus schenkte dem Freund einen erstaunten Blick. »Alliterationen? Gratuliere, was du für Fremdwörter kennst.«
Ärgerlich runzelte Bob die Stirn. Natürlich, Justus Jonas war auf allen Gebieten ein absolutes As und unschlagbar. Aber musste er dann so tun, als fiele er aus allen Wolken, wenn andere auch etwas wussten? Das Wort ›Alliteration‹ hatte Bob gleich gefallen, als er es zum ersten Mal im Unterricht gehört hatte. Und er hatte sich die Bedeutung eingeprägt: dass mehrere Wörter mit demselben Buchstaben anfangen und dass Dichter und Werbeleute gern Alliterationen benutzten. Er schluckte seinen Ärger hinunter, zumal es eine Stelle in dem Drohbrief gab, bei der er tatsächlich passen musste. »Du weißt doch sicher, wer oder was Fafnir ist?«
Es schien, als hätte Justus auf die Frage gewartet. Ohne Punkt und Komma ratterte er seine Kenntnisse über die Nibelungensage herunter, über ihren Schatz, der vom Drachen Fafnir bewacht wird, bis Siegfried ihn tötet
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