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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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gefahren hatte, fiel es D Tessa zu, sie nach San Francisco zu bringen. Tessa schien nichts dagegen zu haben. Sie war voll und ganz mit der Doku beschäftigt, die sie machen würden, und konnte ihr Projekt weiter ausarbeiten, während sie am Steuer saß. Sie erzählte Chevette von den diversen Gemeinschaften, über die sie berichten wollte, und wie sie alles zusammenbauen würde. Chevette brauchte nichts weiter zu tun, als zuzuhören oder zumindest ein aufmerksames Gesicht zu machen, und schließlich schlief sie einfach ein. Sie schlief ein, während Tessa ihr von der so genannten Ummauerten Stadt erzählte, einem Ort in der Nähe von Hongkong, dass es den tatsächlich mal gegeben hatte, man ihn jedoch abgerissen hatte, bevor Hongkong an China zurückgefallen war. Und dann hatten diese verrückten Netzleute ihre eigene Version der Ummauerten Stadt errichtet, eine Art große gemeinschaftliche Website, hatten sie von innen nach außen gekehrt und waren darin verschwunden. Es klang ziemlich kraus, als Chevette wegnickte, aber es er-zeugte Bilder in ihrem Kopf. Träume.
    »Was ist mit dem anderen?« fragte Tessa gerade, als Chevette aus diesen Träumen erwachte.
    Chevette blinzelte auf die Five hinaus, auf die weiße Linie, die sich unter dem Van aufzurollen schien. »Welchem anderen?«
    »Dem Cop. Mit dem du nach Los Angeles gegangen bist.«
    »Rydell«, sagte Chevette.
    »Warum hat das nicht geklappt?« fragte Tessa.
    Chevette hatte keine richtige Antwort darauf. »Hat’s eben nicht.«
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    »Und deswegen musstest du was mit Carson anfangen?«
    »Nein«, sagte Chevette, »musste ich nicht.« Was waren diese vielen weißen Dinger auf dem Feld da drüben? Winddinger: Die machten Strom. »Hat halt grade rein gepasst.«
    »Ist mir auch schon paarmal passiert«, sagte Tessa.
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EL PRIMERO
    ontaine sieht den Jungen zum ersten Mal, als er sich an-F schickt, die morgendliche Ware in sein kleines Schaufenster zu legen: struppiges dunkles Haar über einer ans Panzerglas ge-drückten Stirn.
    Fontaine lässt über Nacht nichts Wertvolles im Schaufenster liegen, aber er findet es auch nicht gut, wenn die Auslage völlig leer ist.
    Ihm gefällt die Vorstellung nicht, jemand könnte im Vorbeigehen diese Leere sehen. Dabei muss er an den Tod denken. Deshalb lässt er jede Nacht ein paar relativ wertlose Sachen drin – vorgeblich als Hinweis darauf, was es im Laden zu kaufen gibt, in Wahrheit jedoch als heimlichen Akt beschwichtigender Magie.
    An diesem Morgen enthält das Schaufenster drei minderwer-tige mechanische Uhren aus der Schweiz mit altersfleckigen Zifferblättern, ein IXL-Taschenmesser mit Doppelklinge, Jigged-bone-Griffschalen und Fingerschutz, guter Zustand, sowie ein ostdeutsches Feldtelefon, das von seinem Design her so aussieht, als könnte es eine Atombombenexplosion nicht nur überstehen, sondern dabei auch noch funktionieren.
    Fontaine, der immer noch den ersten Kaffee dieses Morgens trinkt, starrt durch die Scheibe auf die verfilzten, stachligen Haare hinab. Zuerst glaubt er, einen Toten vor sich zu sehen – es wäre nicht der Erste, den er auf diese Weise entdeckt hat, aber noch keiner hat so an der Scheibe gelehnt und auf den Knien gelegen, als würde er beten. Aber nein, der da lebt: Atemluft beschlägt Fontaines Fenster.
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    In Fontaines linker Hand: eine 1947er-Cortebert Vollkalender-Mondphase, Handaufzug, Gehäuse goldfilled, fast noch in dem Zustand, in dem sie das Werk verlassen hat. In seiner rechten eine verzogene rote Plastiktasse mit schwarzem kubanischem Kaffee.
    Der Geruch von Fontaines Kaffee erfüllt den Laden, so scharf geröstet und bitter, wie er ihn mag.
    Kondensnebel pulsiert langsam am kalten Glas: Graue Aureo-len umgeben die Nasenlöcher des Knienden.
    Fontaine legt die Cortébert ins Auslagekästchen zu seinen übrigen besseren Objekten zurück; in schmalen Fächern aus verschos-senem grünem Velours liegen ein Dutzend Armbanduhren. Er stellt das Auslagekästchen auf den Tresen, hinter dem er steht, wenn er Geschäfte macht, nimmt die rote Plastiktasse in die linke Hand und vergewissert sich mit der rechten, dass die Smith & Wesson 22er-/32er-Kit Gun in der rechten Seitentasche des faden-scheinigen Trenchcoats steckt, der ihm als Morgenmantel dient.
    Ja, da ist sie, die kleine Waffe, älter als so manche seiner besseren Uhren. Ihr abgenutzter Walnussgriff wirkt beruhigend und vertraut. Die Kit Gun, einen sechsschüssigen Randfeuer-Revolver mit vierzölligem Lauf – wahrscheinlich

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