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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Notebook hin. Er öffnet die Seiten, auf denen er nach Uhren sucht. »Drück da drauf, dann da drauf.
    Es sagt dir, was du siehst.« Er demonstriert es. Eine Jaeger mit silbernem Zifferblatt.
    Fontaine drückt auf die zweite Taste. »Jaeger Chronometer, 1945, Edelstahl, originales Zifferblatt, Boden graviert«, sagt das Notebook.
    »Boden«, sagt der Junge. »Graviert.«
    »So wie hier«, Fontaine zeigt dem Jungen den Edelstahlboden einer Tissot, goldfilled, mit Tankgehäuse. »Aber mit einer In-schrift, zum Beispiel >Joe Blow, fünfundzwanzig Jahre bei Blow-corp, Glückwünsche<.«
    Das Gesicht des Jungen ist ausdruckslos. Er drückt eine Taste.
    Eine weitere Uhr erscheint auf dem Bildschirm. Er drückt die zweite Taste. »Vulcain, 1960, springende Stunde, Chrom, Mes-singverzierungen an den Bandanstößen, Zifferblatt sehr gut.«
    »Sehr gut«, wiederholt Fontaine. »Nicht gut genug. Siehst du diese Stellen hier?« Er zeigt auf einige dunklere Flecken, die über den Scan verstreut sind. »Wenn es >ganz hervorragend< hieße, dann okay.«
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    »Hervorragend«, sagt der Junge und blickt zu Fontaine auf. Er drückt die Taste, die das Bild einer weiteren Uhr aufruft.
    »Ich will mir diese Uhr mal ansehen, okay?« Fontaine zeigt auf die Uhr in der Hand des Jungen. »Keine Angst. Ich geb sie dir zu-rück.«
    Der Junge blickt von der Armbanduhr zu Fontaine. Fontaine steckt die Smith & Wesson in die Tasche. Zeigt dem Jungen die leeren Hände.
    »Ich geb sie dir zurück.«
    Der Junge streckt die Hand aus. Fontaine nimmt die Uhr.
    »Sagst du mir, wo du die herhast?«
    Keine Reaktion.
    »Willst du ‘ne Tasse Kaffee?«
    Fontaine zeigt nach hinten, zu der leise vor sich hinköchelnden Kanne auf der Kochplatte. Riecht das bittere, stärker werdende Gebräu.
    Der Junge versteht.
    Er schüttelt den Kopf.
    Fontaine schraubt sich die Lupe ins Auge und vergisst alles um sich herum.
    Verdammt. Er will diese Uhr haben.
    Später, als der Junge vom Bento-Lunchdienst Fontaine das Mit-tagessen bringt, steckt die Jaeger-LeCoultre-Militärarmbanduhr in der Tasche seiner grauen Tweedhose mit der hohen Taille und den extravaganten Bundfalten, aber Fontaine weiß, dass sie ihm nicht gehört. Er hat den Jungen in den rückwärtigen Teil des Ladens verfrachtet, in den voll gestopften kleinen Bereich, der sein Geschäft von seinem Privatleben trennt, und hat festgestellt, dass er seinen Besucher... ja, riechen kann; unter dem morgendlichen Kaffeeduft ein eindeutiger und hartnäckiger Gestank nach altem Schweiß und ungewaschenen Sachen.
    Als der Bento-Junge zu seinem mit Schachteln beladenen Fahrrad hinausgeht, löst Fontaine die Klammern an der, die er gerade 72
    bekommen hat. Heute gibt’s Tempura, nicht gerade sein Lieb-lingsessen beim Lunchdienst, weil es rasch kalt wird, aber trotzdem, er hat Hunger. Dampf wallt aus der Miso-Schüssel auf, als er den Plastikdeckel abnimmt. Er hält inné.
    »He«, ruft er nach hinten in den Raum hinter dem Laden, »willst du Miso?« Keine Antwort. »Suppe, hörst du mich?«
    Fontaine klettert seufzend von seinem hölzernen Hocker herunter und geht mit der dampfenden Suppe in den hinteren Teil des Ladens.
    Der Junge hockt im Schneidersitz auf dem Fußboden, das offene Notebook auf dem Schoß. Fontaine sieht einen großen, sehr komplizierten Chronometer auf dem Bildschirm. Ein Stück aus den Achtzigern, dem Aussehen nach zu urteilen.
    »Willst du Miso?«
    »Zenith«, sagt der Junge. »El Primero. Gehäuse aus Edelstahl.
    Einunddreißig Steine, Uhrwerk 3019PHC. Schweres Edelstahl-armband mit Faltschließe. Originale Schraubkrone. Krone, Zifferblatt und Werk mit Signatur.«
    Fontaine starrt ihn an.
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MITTELBARES TAGESLICHT
    imasaki kommt mit Antibiotika, abgepackten Lebensmitteln Y und Kaffee in Selbstwärmedosen zurück. Er trägt eine schwarze Fliegerjacke aus Nylon und transportiert die ganzen Sachen zusammen mit seinem Notebook in einem blauen Einkaufsnetz.
    Die abendliche Rushhour ist noch ein paar Stunden entfernt, und so ist die Menschenmenge, durch die er in die Station hinab-steigt, nicht übermäßig dicht. Er hat nur schwer einschlafen können; das perfekte Gesicht von Rei Toei, die in gewissem Sinn seine Arbeitgeberin ist und in einem anderen nicht existiert, hat ihn bis in seine Träume verfolgt.
    Sie ist eine Stimme, ein Gesicht, das Millionen vertraut ist. Sie ist ein Codemeer, der höchste Ausdruck von Unterhaltungssoft-ware. Ihr Publikum weiß, dass sie nicht unter den Menschen wandelt,

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