Fyn - Erben des Lichts
sie gehen gelassen zu haben. Mich interessierte es nicht. Ich starrte wie gebannt auf den kleinen Haufen Asche, der von Per übrig geblieben war. Ich konnte es nicht fassen. Norrizz war ein Mörder. Ich war ein Mörder.
Die Hitzeentwicklung wurde unerträglich. Obwohl ich mich in einer Schockstarre befand, wusste ich, dass ich handeln musste, wenn ich nicht dasselbe Schicksal erleiden wollte wie die anderen.
Norrizz’ Blick zuckte zwischen dem leblos am Boden liegenden Myrius und mir hin und her. »Soll ich ihn auch anzünden? Was glaubst du, was er erzählen wird, wenn er überleben sollte und erwacht? Dass du sein glorreicher Retter warst?«
Norrizz hatte recht. Ich war schon so weit, seinem Drängen nachzugeben, als abermals ein Kopf in der oberen Tür erschien. Norrizz fuhr herum und wollte sich mit seiner Fackel schon auf den Störenfried stürzen, als ich mit aller Überzeugungskraft, die ich aufbringen konnte »Nein!« schrie. Überraschenderweise blieb Norrizz stehen. Es war das erste Mal, dass er auf mich hörte.
Silena kam die Treppe heruntergestürzt, Ruß befleckte ihre Kleidung. »Im Hauptgebäude brennt es«, sagte sie. »Das Feuer breitet sich rasend schnell aus, es muss sich um magisches Feuer handeln.« Sie fragte nicht nach den Geschehnissen, wofür ich ihr sehr dankbar war.
»Wir haben nicht viel Zeit«, fuhr sie fort. Ihr Blick fiel auf den bewusstlosen Myrius. Geistesgegenwärtig packte sie ihn an den Beinen. Die Gelegenheit, ihn zu töten, war verstrichen, wenn ich nicht auch Silena als Zeugin beseitigen wollte. Es stand außer Frage. Stattdessen half ich ihr, den Meistermagier die Treppe hinaufzutragen. Norrizz war verschwunden.
Er ließ sich in den folgenden Wochen nicht ein einziges Mal blicken, dabei quälte mich ein unbändiger Drang, mit ihm zu sprechen. Zum ersten Mal sehnte ich seine Gesellschaft herbei, doch diesen Gefallen tat er mir nicht. Meine Gefühle waren ein Potpourri aus Wut, Erleichterung, Erschütterung und Ratlosigkeit. Sollte ich Norrizz für seinen Einsatz danken oder ihn hassen? Es hätte mir gutgetan, mich mit jemandem über die wahren Begebenheiten auszutauschen, und er war der Einzige, der mir meine nagenden Fragen hätte beantworten können.
Die Akademie wurde nach dem Vorfall endgültig geschlossen, was nicht verwunderlich war, denn das Hauptgebäude glich einer verkohlten Ruine. Magisches Feuer breitete sich schneller aus als gewöhnlich. Per, Rigus, Professor Hood und Fidget blieben spurlos verschwunden. Nichts hatte man von ihnen finden können, nicht einmal einen Zahn oder einen Ring. Ein wenig tat es mir für Pers Eltern leid, denn nach der Verstümmelung ihres Sohnes mussten sie sich nun mit dessen Tod abfinden. Am meisten tat es mir jedoch um Fidget leid, er war ein anständiger Soldat der Liga gewesen, den ich immer für seine Disziplin und Weisheit bewundert hatte.
Da sämtliche Dokumente, die von unseren Prüfungsergebnissen zeugten, mitsamt dem Gebäude und den meisten Lehrern dem Feuer zum Opfer gefallen waren, sah der König sich gezwungen, uns dennoch den Abschluss anzuerkennen. Ein mehr als unübliches Vorgehen, das die Gesetze bis zum Äußersten dehnte. Jonnef bezeugte unser Bestehen aus dem Gedächtnis, und da das Land nicht auf einen ganzen Jahrgang zukünftiger Offiziere verzichten konnte, prangte nun ein wunderschönes Abzeichen auf meiner ersten Uniform als Soldat der Liga. Ich kam mir vor wie ein Betrüger, was ich im Grunde auch war, doch das behielt ich für mich. In wochenlangen zermürbenden Ermittlungsverfahren verhörte man mich immer wieder zu dem Vorfall. Natürlich fand man schnell heraus, dass magisches Feuer für die immense Zerstörungskraft verantwortlich war. Schwitzend erzählte ich immer wieder, ein Zauber sei während der Prüfung außer Kontrolle geraten. Mit keinem Wort erwähnte ich, dass mein weißhaariges Pendant das Feuer mit Absicht gelegt hatte. Ich wollte mir einen Aufenthalt in der Nervenheilanstalt ersparen. Glücklicherweise stellte man die Ermittlungen schon bald aus Mangel an Beweisen ein.
Was mich am meisten beschämte, war die Tatsache, dass man Silena und mir eine Ehrenauszeichnung verlieh, weil wir Myrius aus dem brennenden Gebäude gerettet hatten. Man hatte den bewusstlosen Magier auf die Krankenstation des Palastes gebracht, wo er sechs Wochen lang nicht ansprechbar gewesen war. Müßig zu erwähnen, dass ich diese als die schlimmsten meines bisherigen Lebens empfand. Ich schämte mich für
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