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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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schaden wollte. Ich zerbrach mir den Kopf über seine Worte. Irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass Norrizz entweder ein Geist war, der es geschickt verstand, mich in die Irre zu führen, oder dass er tatsächlich aus mir selbst entstammte. Zumindest war ich nicht verrückt, ich bildete mir seine Existenz nicht ein. Ich hatte erlebt, wie er aktiv in die Geschehnisse eingriff und Gegenstände bewegte. Ich sehnte mich danach, es jemandem anzuvertrauen, aber in meinem Leben gab es niemanden, der mich nicht für geisteskrank erklärt hätte.
    An einem grauen Tag im Herbst entschied Ylenia, Jonahs Herberge zu verlassen. Ich hatte noch nicht wieder zu alter Kraft zurückgefunden, auch mein Arm hing nach wie vor nutzlos in seiner Schlinge. Zumindest nahm mir ein Arzt, den Ylenia zähneknirschend teuer bezahlte, die Schiene ab.
    Meine Kopfschmerzen kehrten von Zeit zu Zeit zurück, ich ertastete eine hässliche Narbe an meinem Hinterkopf. Ylenia glaubte jedoch, ich sei für die Weiterreise gerüstet. Ich vermutete, dass ihr das Geld ausgegangen war, um das Bett noch länger zu bezahlen. Immerhin hatte sie das Pferd verkauft, um hässlichen Weiberkram zu erwerben. Mir wäre – trotz Langeweile – eine weitere Woche in der Herberge lieber gewesen, um zu Kräften zu kommen. Als ich meine Bedenken kundtat, presste sie nur die Lippen aufeinander und blies die Wangen auf, wie sie es immer tat, wenn sie sich empörte. Sie meinte, ich sei bloß zu feige, den Rückweg zu wagen, und vermutlich sei ich sogar zu feige, in mein altes Leben zurückzukehren. Ich protestierte heftig, merkte jedoch bald, dass es nur haltlose Bockigkeit war. Schmollend zog ich mich zurück und beobachtete Ylenia dabei, wie sie ihre Habseligkeiten packte. Mittlerweile hatte sie eine große Tasche voll mit Kleidern und Schnickschnack angesammelt. Ich fragte mich, wie sie die Dinge jemals ohne Pferd bis nach Elvar schaffen wollte, verkniff mir jedoch den Kommentar. Inzwischen kannte ich sie gut genug, um zu wissen, wann man in ihrer Gegenwart besser den Mund hielt. Wir befanden uns vermutlich nur eine Tagesreise von Elvar entfernt, doch auch dies war zu weit, um die Strecke zu Fuß zurückzulegen.
    Der Abschied von Jonah und seiner Frau gestaltete sich kühl und schmucklos. Sie sahen uns mit emotionslosen Gesichtern von der Tür aus nach, als wir die schmale Gasse hinuntergingen. Ylenia hatte sich das Bündel Gepäck auf den Rücken geschnürt, ich hingegen war voll und ganz mit mir beschäftigt. Ich atmete bereits nach wenigen Schritten schwer, Bewegung gehörte nicht zu den Dingen, mit denen ich die vergangenen Wochen verbracht hatte. Ich kam mir schäbig vor, der Dame das Gepäck nicht abnehmen zu können, aber als ich mein Bedauern äußerte, schnaubte Ylenia nur und meinte, ich sollte mir um sie keine Sorgen machen, sie käme schon zurecht. Außerdem müsste ich meine verstaubten Ansichten dringend überdenken. Ich runzelte die Stirn und fragte mich, wie dieses Weibsbild je in Elvar zurechtkommen wollte, sollte sie es tatsächlich schaffen, eine Anstellung zu erwirken.
    Die mannigfaltigen Sinneseindrücke, die auf mich einprasselten wie Platzregen, ließen freudige Erregung in mir aufwallen, ein Gefühl, das ich schon beinahe vergessen hatte. Die wochenlange Isolation öffnete mein Herz für die kleinen Wunder dieser Welt. Das Tageslicht blendete meine empfindlichen Augen, bis sie tränten, doch ich empfand nichts als pure Freude an meinem Dasein. Ich hätte diesen Augenblick am liebsten für immer festgehalten. Vielleicht hätte ich mich in der Vergangenheit gelegentlich über mehrere Wochen hinweg einschließen sollen, um mich wieder an den kleinen Dingen erfreuen zu können. Ich schmunzelte über diesen törichten Gedanken.
    Brysben war eine florierende Stadt direkt an der Großen Straße, einem wichtigen Handelsweg, der das Reich von Süden nach Norden einmal komplett durchzog. Dementsprechend viele unterschiedliche Gestalten tummelten sich hier, boten ihre Waren teils direkt von ihren Karren aus feil oder errichteten kleine Stände auf den Gehsteigen. Mir fiel auf, dass ich der einzige Alve unter all den Menschen war. Als hätte Ylenia meine Gedanken aufgefangen, sagte sie: »Es ist gut, dass du so ungewöhnlich aussiehst. Niemand wird es bemerken. Wer rechnet schon mit einem schwarzhaarigen Alven?«
    »Wäre es denn von Nachteil, wenn man mich als solchen erkennen würde?«
    Ylenia warf mir einen herablassenden Seitenblick zu, als hätte ich etwas

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