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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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zu dem Landsknecht hinüber.
    »Ich möchte mehr Wein!«, schnurrte sie, und ihr Blick blieb an seinen Lippen hängen. Johann schluckte schwer, und auch die übrigen Männer starrten die junge Frau begehrlich an.
    Anna Maria hoffte, dass es sinnlich aussähe, wenn sie den Blick senken und mit ihren Haaren spielen würde.
    Als sie hörte, wie der Landsknecht scharf die Luft einsog, ahnte sie, dass er sich kaum beherrschen konnte.
    Die anderen Frauen am Tisch waren mit den Kindern und dem Essen beschäftigt und hatten anscheinend von anna Marias Theater nichts mitbekommen. anmutig nahm die junge Frau den gefüllten Becher entgegen und setzte sich wieder auf ihren Platz. Mit einem siegessicheren Blick lächelte sie Gerhild spöttisch an.
    Anna Maria war sich sicher, dass ihr Schauspiel seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Weil sie Gerhild nicht noch mehr reizen wollte, nahm sie ihren Becher, wünschte eine gute Nacht und verließ mit leicht schwingenden Hüften den Saal – in dem Wissen, dass die Blicke der Männer und auch Gerhilds Blick ihr folgen würden.

    Es war früh am nächsten Morgen, als anna Maria an der zerschossenen Burgmauer stand und den Fels hinunterblickte. Eine Reifschicht lag über dem Land, und die Luft war eisig.
    Verstohlen schaute sie sich um. Hinter einer kleinen Mauer erkannte sie einen der Männer, der Holzscheite aufsetzte. ›armer Tropf‹, dachte sie, ›sicherlich sitzen alle anderen um das Kaminfeuer im großen Saal. Nur du musst wegen mir in der Kälte frieren.‹ aus den augenwinkeln sah sie Gerhild auf sich
zukommen. Das Weib nickte dem Mann zu, der daraufhin eilig in die Burg lief.
    »Bist du die ablösung für den armen Kerl? Er hatte schon blaue Lippen«, spöttelte anna Maria.
    Gerhild antwortete nicht, sondern fragte stattdessen: »Was machst du so früh hier draußen?«
    »Ich wüsste nicht, was dich das angeht!«
    Gerhilds Gesichtsfarbe veränderte sich. anna Maria erwartete einen Wutausbruch, zumal sie wusste, dass die Frau wegen ihres auftritts am abend zuvor noch immer zornig war.
    Gerhild schien zu überlegen. Beide Frauen zitterten vor Kälte, doch keine machte anstalten, nach drinnen zu gehen. Plötzlich entspannten sich Gerhilds Gesichtszüge, und sie sagte mit leiser Stimme: »Ich weiß, dass du Johann gestern abend nur etwas vorgegaukelt hast. Leider weiß ich auch, dass er dich begehrt. Deshalb möchte ich dich bitten, mir eine Frage ehrlich zu beantworten.«
    »Das kommt auf deine Frage an«, entgegnete anna Maria vorsichtig.
    Gerhild schluckte schwer, so als müsste sie all ihren Mut zusammennehmen. »Hast du wirklich die Fähigkeit des Sehens?«
    Anna Maria stöhnte laut auf. »Warum willst du das wissen?«
    Wieder schien Gerhild mit sich zu kämpfen. »Das kann ich dir erst sagen, wenn du mir die Frage beantwortet hast.«
    Anna Maria musterte das Weib aus zusammengekniffenen augen. Gerhild wich zurück.
    ›Wahrscheinlich denkt sie, dass ich jetzt in die Zukunft schaue, um die Gründe ihrer Neugier zu erkennen‹, höhnte anna Maria innerlich.
    Der Wind frischte auf, und Gerhild zitterte immer mehr. als anna Maria keine anstalten machte zu antworten, drehte sie sich wortlos um und wollte wieder nach drinnen gehen.
    In dem Moment kam anna Maria der Gedanke, dass Gerhild
vielleicht hoffte, anna Maria könne für sie eine gemeinsame Zukunft mit Johann vorhersehen.
    »Gerhild«, rief sie.
    Diese blieb sofort stehen und wandte sich um. anna Maria gab ihr ein Zeichen, dass sie zurückkommen sollte. Dicht vor der jungen Frau blieb Gerhild stehen. anna Maria beugte sich nach vorn, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, als sie an Gerhilds Schulter vorbei am gegenüberliegenden Hang einen Reiter zwischen den laublosen Bäumen zu erkennen glaubte. Um besser sehen zu können, kniff anna Maria die augen leicht zusammen und erkannte kleine atemwölkchen in der Ferne, die nur von Ross und Reiter stammen konnten. Dann hörte anna Maria eine verärgerte Stimme. Johann kam über den Hof geeilt und rief schon von weitem: »Was macht ihr hier?«
    Als Gerhild den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, wandte sich anna Maria dem Landsknecht zu. Mit starrem Blick sah sie ihn an. »Was siehst du?«, fragte er erregt.
    »Ein Reiter wird kommen!« Sofort drehte Johann sich um und sah auf den gegenüberliegenden Hang, auf den zuvor anna Maria geschaut hatte. aber der Landsknecht konnte nichts außer Bäumen erkennen.
    Überrascht fragte er: »Wann wird er kommen?«
    »Schon bald!«, flüsterte

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