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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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dachte sie bei sich. als anna Maria nicht antwortete, sagte Gerhild tröstend: »Du kannst froh sein, dass du während der Wintermonate ein Dach über dem Kopf hast.« Sie zog den Umhang fester um ihre Schultern. »Schnee liegt in der Luft!«
    »Nein!«, rief anna Maria und blickte zum Himmel. »Woher willst du das wissen?«
    Gerhild legte ihre Stirn in Falten und sah die junge Frau nachdenklich an. »Du als Seherin müsstest doch wissen, dass der Winter bald hereinbrechen wird.«
    »Man muss keine Seherin sein, um zu wissen, wann der Winter kommen wird. Doch woher nimmst du die Gewissheit, dass es schneien wird?«, fragte sie mit erregter Stimme.
    Gerhild zuckte mit den Schultern. »Das spürt man!«
    »Ich spüre nichts«, erwiderte anna Maria schroff und weigerte sich, darüber nachzudenken, dass es bald Schnee geben könnte. Sie stützte sich auf die Burgmauer und zerbröselte den Hefekuchen.

    »Ich muss hier fort!«, jammerte sie leise. als sie sich wieder zu Gerhild umwandte, konnte diese den Schmerz in anna Marias Gesicht erkennen. Plötzlich glaubte Gerhild zu erraten, was mit der jungen Frau los war.
    »Dein Geliebter wartet auf dich! Oder ist es gar dein Ehemann? Nein, einen Ehemann hast du nicht, denn nur Jungfrauen haben die Gabe des Sehens.«
    Erstaunt blickte anna Maria Gerhild an. ›Was redet sie da nur für einen Unsinn?‹, fragte sie sich in Gedanken. Zu gerne hätte sie Gerhild die Wahrheit ins Gesicht geschrien, doch da sie die Folgen nicht abschätzen konnte, blieb sie stumm.
    Gerhild beobachtete jede Regung im Gesicht der jungen Frau. ›Verflixt!«, dachte sie zornig. ›Wenn ich doch ihr Geheimnis erraten könnte!‹
    »Gerhild, was willst du wirklich?«, fragte anna Maria sie jetzt direkt, da sie der Spielchen überdrüssig war. »Hast du angst vor mir?«
    Als anna Maria Gerhilds erschrockenen Blick sah, musste sie schmunzeln.
    Gerhild kaute auf der Unterlippe, dann fragte sie: »Willst du mir Johann wegnehmen?«
    »Sind deine Gefühle für ihn so stark?«
    Gerhild schien zu überlegen, dann zuckte sie mit den Schultern und erklärte: »Ich habe bereits einen Mann verloren und kenne den Schmerz, den der Verlust hinterlässt. Johann ist ein guter Mann – jedenfalls der beste, der hier herumläuft. Wenn er mich verlässt, bleibt mir nur einer von denen, die keine andere will. Schließlich muss jemand für mich sorgen. Kannst du das verstehen?«
    Anna Maria nickte. »Woran ist dein erster Mann gestorben?«
    »Er wurde bei der Jagd getötet und er war nicht mein Ehemann. Wir waren erst seit wenigen Monaten zusammen, trotzdem glaubte ich damals, ein Teil von mir sei mit ihm gestorben.«

    »Und dann hast du den Landsknecht kennengelernt?«
    Gerhilds Gesichtszüge wurden weich. »Nein, Johann habe ich bereits gekannt. Er war sein Bruder.«
    Als Gerhild bemerkte, dass anna Maria sie erstaunt ansah, versteifte sie sich, und der sanfte Zug verschwand aus ihrem Gesicht. Sie lachte laut auf. »Eine schöne Geschichte, die ich dir da erzählt habe. Nun sage mir, ob ich die Wahrheit gesprochen oder gelogen habe, Seherin!«
    Als anna Maria sie verständnislos anschaute, packte Gerhild sie hart am Handgelenk und drohte: »Wage es nicht, dich meinem Liebsten zu nähern, sonst wird es dir übel ergehen!«
    Abrupt ließ sie die junge Frau los und ging zurück in die Burg. anna Maria rieb sich das brennende Handgelenk und flüsterte: »Du hast die Wahrheit gesprochen, und deshalb werde ich schon bald wieder frei sein.«

    Gerhild, die am anderen Ende des Tisches saß, bedachte anna Maria mit bösen Blicken.
    ›Du glaubst wohl, ich hätte angst vor dir‹, dachte anna Maria amüsiert. ›Doch weit gefehlt! Ich werde dich dazu bringen, mir zu helfen.‹ Zwar hatte anna Maria keine Erfahrung mit Männern, doch wusste sie, wie sich die Mägde auf dem Hof ihres Vaters verhalten hatten, wenn sie die aufmerksamkeit eines Knechts auf sich lenken wollten.
    Sie ließ ihren Blick zu Johann schweifen, der mit Heinrich am anderen Tischende sprach. Während sie ihr Brot in die Suppe tunkte, schlug sie verführerisch die augen auf und fuhr sich mit der Zunge sinnlich über die vollen Lippen. Ihr Lachen glich einem Gurren.
    Johann brach mitten im Satz ab und starrte anna Maria an.
    Jeder in der Runde konnte seine Gedanken erraten – auch Gerhild. Sie wurde puterrot im Gesicht, sagte jedoch keinen
Ton, sondern strafte anna Maria mit einem weiteren bösen Blick.
    Anna Maria blieb davon ungerührt, nahm ihren Becher und ging

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