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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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gescheitert. Unglücklich lag sie auf ihrem Lager und presste vorsichtig die Finger gegen die Schläfe, die durch den Schlag des Wolfjägers dunkel verfärbt und angeschwollen war. Der Schmerz hämmerte in ihrem Schädel.
    Gequält schloss anna Maria die augen und hoffte, dass der Schlaf sie einlullen würde – doch ihre Gedanken hielten sie wach.
    ›Ich werde nie wieder von dieser Burg fortkommen‹, ging es ihr durch den Kopf. ›Sicherlich wird man mir nun den Hofgang verbieten und mich erneut ins Verlies sperren.‹ Sie stöhnte auf.
    Als anna Maria an ihre Brüder dachte, verstärkte sich der Schmerz hinter ihrer Stirn. Viele offene Fragen plagten sie und raubten ihr fast den Verstand. Die angst, dass Peter oder Matthias Leid widerfahren sein könnte, ließ sie immer wieder aufschrecken. Sie war sich sicher, dass einem ihrer Brüder etwas zugestoßen sein musste. Warum sonst hatte sie Schmerzen gespürt, obgleich ihr selbst nichts fehlte? Und wie sollte sie ihre Brüder retten, wenn sie hier festsaß?
    Sie versuchte sich zu beruhigen. Plötzlich drängten sich die blauen augen des Fremden in ihre Gedanken. Sie war sich sicher, dass sie ihn früher schon einmal gesehen hatte, doch wusste sie nicht, wo.
    ›Vielleicht, weil er Johanns Bruder ist‹, dachte sie. aber es ist nur das Blau der augen, das ihr gleich erschien. ansonsten konnte sie keine Ähnlichkeit feststellen. als sie auf dem Boden im großen Saal lag, hatte der Fremde sie nur kurz angesehen und sich dann gleichgültig von ihr abgewandt. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass er sie kannte. auch hatte er keinen Ton gesagt – weder zu ihr noch zu den anderen.

    Johann hingegen hatte sie angebrüllt, dass sie undankbar sei und seine Gastfreundschaft nicht zu schätzen wisse. anna Maria hatte nichts erwidert, sondern darum gebeten, sich zurückziehen zu dürfen. Daraufhin hatte Johann Gerhild gerufen, die anna Maria in das Nebengebäude begleitete.
    Auch Gerhild sprach kein Wort mit ihr, sondern schien mit den Gedanken woanders zu sein. Nachdenklich musterte anna Maria sie. Ihr Blick wirkte gehetzt, und sie wanderte unruhig durch den Raum.
    »Geht es dir nicht gut?«, hatte anna Maria gefragt.
    »Lass mich in Ruhe!«, hatte Gerhild geantwortet und war aus dem Gemach gestürmt.
     
    Anna Maria spürte, wie ihre augenlider schwer wurden. Kaum war sie eingeschlafen, weckten sie laute Stimmen aus dem Gemach des Landsknechts über ihr. Neugierig ging sie barfuß die Treppe hinauf und wartete auf der obersten Stufe. Da die Tür zu Johanns Gemach nur angelehnt war, konnte anna Maria klar und deutlich die Stimme des Landsknechts und die Gerhilds erkennen. angespannt lauschte anna Maria und traute sich kaum zu atmen.
    »Ich dachte er sei tot!«, jammerte Gerhild. »Schließlich brachtest du damals aus dem Wald seinen mit Blut durchtränkten Umhang zurück.«
    »Was spielt das für eine Rolle? Wärst du sonst nicht unter meine Bettdecke gekrochen?«, fragte Johann bissig.
    Sie schwiegen, doch dann setzte Gerhild erneut an: »Was sollen wir nun machen?«
    »Meinst du uns oder dich?«
    In dem Moment hörte anna Maria Schritte auf dem Gang links von ihr und ging einige Stufen nach unten, um nicht gesehen zu werden. Jemand klopfte an die Tür und betrat das Gemach.

    Rasch huschte anna Maria erneut die Stufen nach oben. als sie die Stimme desjenigen hörte, stockte ihr der atem. Jetzt ahnte sie, warum ihr der Fremde bekannt vorkam. Neugierig lauschte sie an der angelehnten Tür. Der Schmerz pochte hinter ihrer Stirn und ließ sie taumeln. Doch die junge Frau wollte wissen, was nebenan gesprochen wurde, und versuchte mit aller Kraft, den Schmerz zu unterdrücken.
    »Ich grüße dich, Gerhild! Ich wusste, dass ich mich um dich nicht sorgen musste«, sagte der Fremde.
    Anna Maria glaubte Spott aus seinen Worten herauszuhören. Bevor das Weib etwas erwidern konnte, bat er: »Ich möchte mit meinem Bruder sprechen – allein!«
    »Aber Veit, ich kann dir erklären …«
    Er unterbrach sie brüsk und sagte: »Wir können morgen miteinander reden – allerdings weiß ich nicht, was wir zu besprechen hätten. Es ist, wie es ist, und das ist gut so!«
     
    Wieder musste anna Maria nach unten fliehen, weil Gerhild im Begriff war, das Gemach zu verlassen. Das Weib murmelte wütend etwas vor sich hin und ging den Gang entlang zur Treppe, die hinunter zum großen Saal führte. als die Tür des Speisesaals mit lautem Knall ins Schloss fiel, atmete anna Maria erleichtert auf. Sie

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