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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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dorthin werde ich mich heute noch begeben.«
    Nun strahlte anna Maria, und Wendel zwinkerte ihr zu.
    »Was sitzt du dann noch hier herum? Mach, dass du fortkommst!«, schimpfte Hannes und lachte. Im Hinausgehen nahm sich Wendel ein Stück Brot und versprach: »Ich werde um die Mittagsstunde zurück sein.«

    Ungeduldig erwartete anna Maria seine Rückkehr. Da sie die Mädchen im oberen Stockwerk nicht stören wollte, ging sie auf den Friedhof des Dorfes. Schon in ihrem Heimatort Mehlbach suchte sie gern den Kirchhof auf, wenn sie allein sein wollte, da man an solch einem Ort selten angesprochen wurde.
    Langsam wanderte anna Maria an den Gräbern entlang. an einer geschützten Stelle stand eine verwitterte Steinbank, auf der sie Platz nahm.
    Ihre Gedanken schweiften zu dem Tag zurück, an dem ihre beiden Brüder ins Ungewisse zogen. am Grab der Mutter hatten
Matthias, Peter und sie sich die Hände gereicht, und die beiden Burschen mussten schwören, nicht ohne den anderen nach Hause zurückzukommen. anna Maria hingegen gelobte im Stillen, dass sie die Brüder suchen würde, sollte sie sie in Gefahr wissen. Dabei hatte sie sich jedoch keine Gedanken gemacht, wie sie die Brüder finden würde oder wo sie sie suchen sollte. auch dass solch eine Reise für ein junges unerfahrenes Mädchen gefährlich sein konnte, hatte sie nicht bedacht. Doch nun war sie aufgebrochen und würde nicht eher nach Hause zurückkehren, bis sie Matthias und Peter gefunden hätte.
     
    Anna Maria horchte in sich hinein. Ihr Herz schlug gleichmäßig, und alle Sinne schienen ruhig. Sie war sich sicher, dass beide Brüder wohlauf waren.
    Zuversichtlich atmete sie tief ein und schloss für einen Moment die augen. Sie rief sich ihre Mutter ins Gedächtnis und stellte sich vor, wie sie ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
    »Ich werde sie finden, Mutter. Sei unbesorgt!«, flüsterte anna Maria, bevor sie die augen wieder aufschlug.

    Kaum hatte Wendel das Gasthaus »Zur Rose« betreten, stand anna Maria auch schon neben ihm und blickte ihn mit fragenden augen an.
    Wendel sah erschöpft aus. Sein Gewand war voller Staub, und sein Gesicht war mit Dreck bespritzt. Ermattet fuhr er sich über die augen und setzte sich an den Tisch, an dem zuvor anna Maria gewartet hatte.
    Götze spendierte einen Krug Bier, den Wendel in einem Zug leerte. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schaum von den Lippen.
    »Woher kommst du?«, wollte Götze wissen.

    »Vom Schucklust Bartel!«
    »Dann hattest du einen harten Ritt, mein Freund!«
    Wendel nickte und reichte dem Wirt den leeren Krug, den dieser erneut füllte.
    Anna Maria setzte sich zu ihm an den Tisch und wartete geduldig, bis Wendel einen weiteren Schluck Bier getrunken hatte. Nachdenklich ergriff er über den Tisch hinweg ihre Hand und sagte: »Man hat deine Brüder gesehen, anna Maria, und es ging ihnen gut!«
    Vor Freude schossen dem Mädchen Tränen in die augen, und es erwiderte den Druck von Wendels Hand. Nachdem es mehrmals geschluckt hatte, konnte es mit gefasster Stimme fragen: »Was habt Ihr in Erfahrung bringen können?«
    Neugierig setzte sich auch Götze zu ihnen an den Tisch.
     
    »Es war nicht leicht, Mädchen, da es immer mehr Burschen werden, die umherziehen, und die stellen sich den Leuten nicht vor«, erklärte Wendel mit einem augenzwinkern. »Doch deine Brüder sind den Leuten aufgefallen, denn sie nennen sich die ›Fahnenträger‹, was sonderbar ist, weil sie keine Fahne mitführen. auf die Frage, woher ihr Name stamme, erklärten sie, dass sie die Fahne auf dem Herzen tragen würden.«
    »Es heißt ›im Herzen tragen‹, Wendel, und nicht ›auf dem Herzen‹«, verbesserte Götze seinen Freund. Der schüttelte den Kopf und erwiderte missmutig: »Ja, das weiß ich, Hannes, schließlich bin ich kein Depp. aber diese Burschen betonen, dass sie ihre Fahne auf dem Herzen tragen.«
    An Wendels Blick war zu erkennen, dass er es vorziehen würde, wenn Götze einfach schweigend zuhörte. Dann fuhr er fort: »Deine Beschreibung, anna Maria, passt Wort für Wort auf diese beiden jungen Kerle. Ihre blauen augen sind den Leuten ebenso in Erinnerung geblieben wie auch, dass der Jüngere Matthias gerufen wurde.«

    »Fahnenträger«, flüsterte anna Maria lächelnd. »Solch einen Einfall kann nur Matthias gehabt haben.«
    »Einerlei, was der Grund für diese Bezeichnung gewesen sein mag. So aber wird es für dich leichter sein, ihnen zu folgen.«
    »Wohin sind sie gezogen?«,

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