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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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seit vielen Jahren. Er führt durch dichtes Unterholz. Oft musst du durchs Gebüsch kriechen, aber dieser Weg führt um die Wolfsschlucht herum, sodass du den Wölfen nicht begegnen wirst. Der Weg ist klar erkennbar, und du darfst ihn nie verlassen.«
    »Wisst ihr mit Sicherheit, dass mir die Wölfe auf dem Schmugglerweg nicht nachstellen werden?«
    Wendels Blick wurde hart. »Nein, anna Maria, das wissen wir nicht. aber wir können mit gutem Gewissen sagen, dass uns nie zu Ohren gekommen ist, dass je ein Mensch auf diesem Pfad angegriffen worden wäre.«
    Anna Maria wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als den Schmugglerweg zu gehen. Sosehr sie dieser Gedanke im ersten Moment erschreckt hatte, so entschlossen war sie nun, diese abkürzung ins Elsass einzuschlagen. allein die aussicht, ihre Brüder zu finden, bevor der erste Schnee gefallen war, stärkte ihre Zuversicht.
    »Ich werde mich daran halten und dem Weg folgen«, versprach sie. »aber wie erkenne ich den Schmugglerweg, und wo muss ich in den Wald eintreten?«
    »Nicht wir werden dir den Weg beschreiben, sondern jemand, der in der Nähe des Waldes wohnt und der den Pfad mehrmals gegangen ist«, antwortete Götze. »Wir werden dich nur ein Stück des Weges dorthin begleiten.«

Kapitel 8
    Hofmeister erschrak, als sich sein Gesicht im Wasser der Waschschüssel spiegelte. Seit anna Marias aufbruch war er gealtert. Der graue Bart und die dunklen augenränder ließen sein Gesicht fade und welk aussehen.

    Mürrisch riss der Bauer die Stubentür auf und schrie die Treppe hinunter: »Lena, komm rauf und rasier mich!«
     
    Zurück im Zimmer setzte er sich aufs Bett und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Eben erst war er aufgewacht, und doch fühlte er sich, als ob er etliche Tage nicht mehr geschlafen hätte. Solche Gefühle waren ihm fremd und ließen ihn nachdenklich werden.
     
    Am Todestag seiner Frau Elisabeth hatte ihn erstmals das Gefühl beschlichen, dass ihm allmählich die Kraft fehlen würde, sich tagtäglich dem Leben zu stellen.
    »Ich werde alt!«, sagte er sich und wollte es insgeheim doch nicht wahrhaben. auch dass sein ältester Sohn Jakob stetig mehr aufgaben und Pflichten auf dem Hof übernahm, verstärkte in Hofmeister das ungute Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. am meisten ärgerte ihn, dass anna Maria, bevor sie fortgegangen war, Jakobs Frau die aufgaben der Bäuerin übertragen hatte.
    »Diese Frau macht einfach was sie will!«, nörgelte Hofmeister leise. Fast täglich gab es Streit, denn Sarah war nicht nur stur, sondern hatte auch keine angst vor Hofmeister.
    »Dabei ist sie eine Fremde!«, schimpfte er. Eine, die er vom ersten augenblick an nicht hatte leiden können und die sich – wie er meinte – in die Familie eingeschlichen hatte.
    »Was ist nur aus dem Hofmeister Hof geworden?«, grübelte er leise. »als Elisabeth noch lebte, hatte alles seine Ordnung.«
    Bei dem Gedanken an seine Frau lächelte er traurig. Von allen Frauen, mit denen er das Bett geteilt hatte, war sie ihm die liebste gewesen. Keine hatte sein Herz so berührt wie Elisabeth – doch das wusste er erst, seit sie tot war. Wären seine Gefühle für Elisabeth schon zu ihren Lebzeiten so stark gewesen, hätte er ihr vielleicht das Geheimnis seines Lebens anvertraut.
    Obgleich sich Hofmeister, wenn er so nachdachte, nicht sicher
war, ob Elisabeth nicht ohnehin vermutet hatte, dass er vor ihr etwas verheimlichte.
    Der Bauer erinnerte sich an kleine Begebenheiten, die ihn in dieser annahme bestärkten. Er dachte an Elisabeths Blicke, mit denen sie ihn im Laufe der Jahre immer wieder bedacht hatte – stets dann, wenn sie glaubte, dass er es nicht bemerken würde. am anfang ihrer Ehe hatte seine Frau oft versucht ihn auszufragen. Immer wieder einmal hatte sie wissen wollen, was Hofmeister und ihr Vater damals in der Scheune beredet hatten. Doch mit barschen Worten gelang es Hofmeister jedes Mal, seine Frau zurechtweisen, sodass sie schwieg.
    Hofmeister lachte in sich hinein. Wenn Elisabeth je erfahren hätte, dass er sie beim Würfelspiel mit ihrem Vater gewonnen hatte – das Gekeife wäre nicht auszuhalten gewesen. Es erschien ihm noch Jahrzehnte später als besonders schlauer Schachzug, dass er dem alten Bauern erst von seinen Wallfahrten erzählte, ihn dabei betrunken machte und dann ein Würfelspiel vorschlug. Nur so war es möglich gewesen, die einzige freie Bauerntochter der Umgebung zu heiraten, obwohl Elisabeth bereits einem anderen

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