Gabe des Blutes
Verstanden?«
»Ja.«
»Ich würde sagen, das schwarze mit den Stadtwappen«, meinte Para, während sie Mystiques Haar zu einer raffinierten Frisur hochsteckte. Sie waren übereingekommen, keine Juwelen zu nehmen, weil es immer noch hell draußen war und die Burgherrin um diese Zeit wahrscheinlich keinen Schmuck trug. Stattdessen würde eine schlichte Goldkette mit winzigen Rubinen und Glücksbringern ihre Stirn zieren. Man hatte ihr gesagt, dass es der Lieblingsschmuck von Reules Mutter gewesen war. Das bedeutete ihr viel. Sie wünschte, sie hätte die frühere Prima gekannt.
»Nein. Das hat sie schon einmal getragen«, wehrte Liandra mit einer Handbewegung ab. »Heute Abend wird sie das Pelzkleid tragen. Es ist perfekt. Hell und grau. Von engelsgleicher Zartheit. Sie wird eine sanfte Königin sein.«
»Ja«, stimmte Mystique zu. »Du hast recht. Ich könnte das schwarze mit den Wappen zum Empfang tragen.«
»Nein. Kein Schwarz«, lehnte Liandra bestimmt ab. »Das hat etwas Düsteres und Bedrohliches. Es müssen ebenfalls freundliche Farben sein. Dieses hier!«
Sie zog es heraus, und Para stöhnte teils empört, teils entzückt.
»Während der Trauer?«, rief sie aus.
»Ach, zum Teufel damit«, sagte Lia verächtlich. »Er war mein Bruder, und ich sage, trag das verdammte Kleid, und verdreh ihnen den Kopf.«
Gemeinsam mit vier weiteren hochrangingen Männern seines Trupps hatte man Lothas in einem großen, wunderschönen Salon untergebracht, der einen Sinn für Ausgewogenheit verriet und Geschmack und Wohlstand. Er war erlesen, aber nicht protzig, und das gefiel Lothas. Sie waren mit verhaltenem Respekt behandelt worden, eine verständliche Skepsis, wenn man bedachte, wie die Sánge von den meisten behandelt wurden, aber man war ihnen auch mit Neugier begegnet.
Die fünf Männer waren respektvoll stehen geblieben und warteten auf ihren Gastgeber und ihre Gastgeberin, den Primus und die Prima der Provinz Jeth, bevor sie es sich bequem machen würden. Lothas hatte erst vor ein paar Minuten erfahren, dass der Primus seit Kurzem eine Gemahlin hatte, und er wusste, er musste sich ein passendes Geschenk einfallen lassen, um das Ereignis zu würdigen, wenn er den Primus der Jeth zum Verbündeten machen wollte.
Lothas blickte zu seinen Gefährten, und sein Blick heftete sich auf Knar. Weil der den Anstoß zu dieser Menschenjagd gegeben hatte, müsste er eigentlich erfreut sein über die Fortschritte, die sie gemacht hatten, seit Schnee gefallen war. Der Schneesturm war ausgesprochen günstig gewesen. Die Yesu waren nur auf dem Eis und Schnee ihrer Heimat unterwegs und kamen zum Handeltreiben nur in die Ebene, wenn es schneite. Der Sturm hatte es ihnen erlaubt, die Spur des Verbrechers aufzunehmen, den Knar suchte. Trotzdem sah Lothas wenig Dankbarkeit bei dem Mittelkönig. Sie hatten Glück, ihre Reise in so angenehmer und gastfreundlicher Umgebung unterbrechen zu können, bei der sie auch noch Informationen sammeln konnten.
Andererseits hatte der Hohe König Derrik schon länger über die Möglichkeit nachgedacht, Handelsverbindungen mit den Sánge aufzunehmen. Obwohl die Yesu ausgesprochen zurückgezogen lebten, war die Bedeutung von Getreide und Feldfrüchten, die die Sánge an diesem unwirtlichen Ort erfolgreich anbauten, nicht zu leugnen. Außerdem hatten sich die Sánge gut geschützt in diesem Tal eingerichtet, und ihr Primus, der die Stadt aus Sicherheitsgründen dort angesiedelt hatte, musste ein kluger Mann sein. Für den Fall, dass jemand die Yesu bedrohen sollte, konnten Verbündete wie die Sánge einen wirkungsvollen Schutz bieten.
Ihr Empfang war bis jetzt ganz freundlich gewesen. Die Einzigen, mit denen sie sich ständig im Krieg befanden, waren die Schakale. Diese nicht sesshaften Empathen waren unberechenbar, und wenn die schneebedeckten Berge sie nicht schützen würden, hätten die Yesu womöglich ebenfalls Ärger mit ihnen.
Lothas hörte den Türriegel, und er trat vor, um seinen Gastgeber zu grüßen. Die Doppeltür wurde von einem würdevollen Diener aufgestoßen, der rasch beiseitetrat. Ein stattlicher Sánge mit dichtem schwarzen Haar, das ihm wirr bis auf die Schultern hing, erschien. Sein tief gebräuntes Gesicht überraschte die Männer des Bergvolkes, doch Lothas musste lächeln. Die Gesichter der Yesu-Männer waren gerötet vom eisigen Wind und der von Eis und Schnee reflektierten Sonne, aber sonst waren sie weiß. Es war ein bemerkenswerter Unterschied.
Lothas hatte nur einen
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