Gabe des Blutes
einen Namen für mich ausgesucht«, sagte sie freudig und begierig, ihn ihrer neuen Gefährtin mitzuteilen. »Mystique!«
»Oh, der ist wirklich hübsch! Und nebenbei bemerkt, ich bin einverstanden«, sagte Para mit einem kräftigen Nicken.
»Reule hat ihn ausgesucht.«
»Unser Primus ist ein kluger und bewundernswerter Mann«, sagte Para mit einem verschmitzten Lächeln, das ihr ein Stirnrunzeln von ihm eintrug. »Mein Primus, ich glaube, Amando hofft, dass Ihr so schnell wie möglich wieder zu dem Wagen zurückkommt.«
Reule hob eine seiner dichten schwarzen Brauen. Er wurde einfach fortgeschickt, daran gab es keinen Zweifel. Das unterdrückte Kichern vom Bett her gefiel ihm nicht. Sie blickten ihn beide so unschuldig und erwartungsvoll an, als müsste er der Bitte widerspruchslos folgen … was er auch tat.
»Mystique, wenn du dich gut genug fühlst und wenn du magst, würde ich gern in deiner Gesellschaft zu Abend essen. Das gesamte Rudel wird heute gemeinsam speisen, weil Amando das letzte Mal in diesem Herbst die Handelsroute bereisen wird, und wir wollen ihn mit guten Wünschen, einem vollen Bauch und mit Erinnerungen an seine Gefährten, die auf seine Rückkehr warten, verabschieden. Sie würden sich geehrt fühlen, wenn du kämst, und es würde sie freuen, dich in einer so guten Verfassung zu sehen. Ich würde aber auch verstehen, wenn es für dich zu früh ist …«
»Ich komme gern!«, platzte sie aufgeregt heraus. »Es geht mir gut, und ich wünsche mir wirklich sehr, mein neues Zuhause zu besichtigen und die kennenzulernen, die dem Anführer, der mich so ritterlich gerettet hat, zur Seite stehen.«
Reule ging nicht darauf ein, dass sie ihn zu ihrem Helden ernannt hatte, aus Angst, es könnte ihm zu Kopf steigen. Stattdessen verbeugte er sich leicht vor ihr und verließ den Raum, bevor Pariedes ihn hinauswarf.
5
Mystique sah, wie er sich vor ihrem Bett verbeugte, und spürte, wie ihr der Atem stockte. Dann seufzte sie anerkennend, während sie den Blick von seinem Kopf mit den schwarzen Haaren bis zu den glänzenden Spitzen seiner polierten Lederstiefel gleiten ließ. Das Geräusch ihres Atems zog die volle Aufmerksamkeit seiner haselnussbraunen Augen auf sich, von denen sie annahm, dass ihnen nichts entging. Er beobachtete sie unter rußschwarzen Wimpern und unter Wellen von rabenschwarzem Haar, das sich in einer wilden Mähne um seine Stirn und seine Wangenknochen gelegt hatte und ihm stufig in den Nacken fiel.
Er bedachte sie mit einem leichten Lächeln, bei dem zwei, drei weiße Zähne aufblitzten, was irgendwie wölfisch wirkte. Es war seine Art, ihr zu verstehen zu geben, dass ihm ihre Gedanken nicht verborgen blieben und dass ihm bewusst war, dass er Gegenstand ihrer Überlegungen war.
Sie senkte das Kinn und verengte die Augen, als sie ihn ihrerseits anblickte; es war die stumme Botschaft einer Frau, die ihn unverblümt musterte, ob es ihm nun bewusst war oder nicht. Sie hatte es auch nie geheim halten wollen. Und sie machte einfach weiter damit.
Was seine Statur betraf, war dieser Sánge vor ihr atemberaubend. Er hatte breite Schultern und einen mächtigen muskulösen Brustkorb, und sein dunkles Haar und seine changierenden Augen betonten seine klaren, markanten Gesichtszüge, die verrieten, dass er den Sommer über draußen gearbeitet hatte. Sie konnte ihn sich genauso gut auf den Feldern vorstellen wie auf dem Thron. Die Wandlungsfähigkeit dieses Mannes war faszinierend. Er war ein völlig Fremder, und trotzdem spürte Mystique, dass jeder Augenblick und jeder Atemzug von ihm ihr etwas Tiefgreifenderes über ihn erzählte. Es war raffiniert, Dinge zu erfahren, ohne sie bewusst mitgeteilt zu bekommen, doch sie war sich sicher, dass es geschah. Es gefiel ihr. Es gefiel ihr, festzustellen, dass sie für diese Dinge empfänglich war. Es gab ihr das Gefühl, sich selbst besser kennenzulernen.
Sie lächelte verschmitzt, und ein Gefühl von Vertrauen erfüllte sie, während sie zusah, wie er sich umwandte und zur Tür ging. Sie wusste, dass man in ihr lesen konnte, doch es war ihr egal. Sie setzte sich auf, zog die Beine an und legte den Kopf schräg, damit sie zusehen konnte, wie er sich bewegte.
Sánge-Männer trugen eng anliegende Hosen aus weichem, bequemem Stoff, die sie in die kniehohen Stiefel steckten. Reules Stiefel und die Hose waren schwarz. Seine straffen Beine zeichneten sich unter dem Stoff ab, der sich über die Oberschenkel eines geübten Reiters spannte, über die
Weitere Kostenlose Bücher