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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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der Seite gewichen?«
    Seit Tagen hatte er keinen von ihnen gesehen, hatte nur ihre Wut und ihre Trauer gespürt, die sie so quälend wie Peitschenhiebe durchzuckte. Er hatte seine Gedanken vor ihnen abgeschottet, und ihre ebenfalls vor ihm, weil er die zusätzliche Intensität, die sie mit sich bringen würden, nicht ertragen konnte. Jetzt, wo die Tiefen beendet waren, hatte er vor, seine Isolation aufzugeben. Allein zu trauern, auch wenn man in Gemeinschaft war, war ganz normal. Darcios Abwesenheit war ihm gar nicht aufgefallen; oder die von irgendjemand anderem.
    »Wie verdammt selbstsüchtig«, murmelte er. »Wie es scheint, ist in meinem Turm direkt vor meiner Nase eine Menge passiert, ohne dass ich es mitbekommen hätte.«
    »Da seid ihr nicht der Einzige«, sagte Drago trocken und warf einen Blick auf das ungemachte Bett.
    Reule lachte leise und vertrieb die sorgenvolle Stimmung. Er würde die Dinge in seinem Haus im Laufe der Woche wieder in Ordnung bringen, und heute Abend würde er damit anfangen. »Entspann dich, alter Freund. Ich habe vor, sie nah bei mir zu behalten und sie so wertzuschätzen, wie du es offensichtlich tust. Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich deine Meinung kenne. Ich habe mich schon gefragt, was die anderen von unserer Beziehung halten würden.«
    »Kümmert es Euch?«, wollte Drago wissen.
    »Kümmern? Natürlich. Allerdings mache ich mir deswegen keine Sorgen. Das Thema steht nicht zur Debatte, und mit der Zeit werden sie sich daran gewöhnen. Ich habe Vertrauen in mein Volk.«
    »Nun, ich weiß, dass Ihr bei den Bewohnern keine Schwierigkeiten haben werdet«, bemerkte Drago.
    »Ach ja?«, fragte Reule, während er in das angrenzende Badezimmer ging, um sich zu waschen und sich anzuziehen. Er wollte das Rudel sehen, bevor die Gäste eintrafen.
    »Ja. Mylady Mystique hat in den letzten Tagen ziemlich großen Eindruck gemacht. Sie hat den Bauerssohn Stebban geheilt, und er nimmt sogar schon wieder zu. Seitdem hat sie ununterbrochen in der Krankenstation zu tun gehabt. Mundpropaganda, nehme ich an. Wie ein Lauffeuer hat es sich herumgesprochen, mein Primus. Obwohl Ihr vielleicht mehr auf sie aufpassen solltet, wenn sie … ähm …«
    »Prima ist, Drago. Sag es ruhig. Sie wird Prima. Noch vor Ablauf des Monats, wenn es nach mir geht. Und als Erstes wird sie einen Leibwächter aus dem Rudel bekommen, vertrau mir.«
    »Oh ja, eine weise Entscheidung. Aber ich mache mir mehr Sorgen um ihre Gesundheit.«
    Drago blickte auf, als ein leises Klappern ertönte und sein Primus halb rasiert in der Tür zwischen Schlafzimmer und Bad auftauchte und ihn mit seinen haselnussbraunen Augen scharf anblickte.
    »Wärst du bitte so freundlich, mir das zu erklären?«
    »Natürlich, mein Primus. Unsere zukünftige Prima ist nicht so herzlos, dass sie irgendjemanden abweist. Sie kümmert sich von früh bis spät um ihre Patienten. Wenn sie sich zurückzieht, ist sie so erschöpft, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten kann. An den letzten drei Abenden mussten Para und ich sie zusammen ins Bett bringen.«
    »Gibt es so viele Kranke unter meinen Leuten?«, Reule blickte ihn entgeistert an.
    »Ja, wegen der Brandverletzungen. Und am Ende so eines langen Tages behandelt sie auch noch Chayne weiter. Der Winter kommt, die Älteren haben verschiedene Beschwerden. Viele sind von dem Mann, den sie zu Recht als Scharlatan entlarvt hat, vernachlässigt worden.«
    »Dafür wird er büßen, das verspreche ich dir«, knurrte Reule wütend, während er sich erneut seiner Körperpflege widmete. »Sie hat heute nicht gearbeitet. Ich bin ihr oben bei den Zinnen begegnet.«
    »Sie zieht sich zweimal am Tag für eine Stunde dorthin zurück. Ich denke, es ist zu viel für sie, das Heilen und die Trauer. Wenn sie den Kopf wieder frei hat, kommt sie zurück.«
    »Du scheinst ja bestens informiert zu sein.«
    Drago war kein Dummkopf. Er versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, als er den eifersüchtigen Unterton seines Herrn bemerkte. »Para ist die ganze Zeit in ihrer Nähe. Ich schaue oft vorbei und versuche zu helfen.«
    »Und was schlägst du vor?«
    »Nur dass Ihr den Zulauf beschränkt. Keine Besucher mehr nach Sonnenuntergang oder vor einer angemessenen Zeit am Morgen.«
    Es war eine vernünftige und einfache Lösung. Doch Reule musste zuerst mit Mystique darüber sprechen. Er hatte nicht vor, Entscheidungen zu treffen, die sie betrafen, ohne sie im Vorfeld zu fragen. Auch wenn er das Recht dazu hatte, wäre das

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