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Gabriel oder das Versprechen

Gabriel oder das Versprechen

Titel: Gabriel oder das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Voosen
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signalisierte.
    Seine Mitarbeiter und Kollegen
schätzten ihn wegen seines scharfen Verstandes und seiner ruhigen,
souveränen Art, mit der er an die Fälle heranzugehen pflegte. Er
konnte auf eine ungewöhnlich hohe Aufklärungsquote zurückblicken,
die ihm im Präsidium - auch in Anspielung auf seine
überdimensionale Nase - den Spitznamen ›der Riecher‹ eingebracht
hatte. Auch er wusste von diesem schmückenden Beinamen und
kokettierte gelegentlich damit.
    Heute ging es darum, sich über die
ersten Ergebnisse auszutauschen und die weitere Vorgehensweise zu
besprechen. Deshalb hatte er in einem für solche Anlässe
vorgesehenen Raum ein Meeting mit seinen Mitarbeitern
einberufen.
    Nach seinem zusammenfassenden
Bericht meldete sich Oberkommissar Marc Haarmann, sein mit Anfang
40 noch ausgesprochen junger Stellvertreter, zu Wort. Im Gegensatz
zu seinem Vorgesetzten war Marc verheiratet und Vater von zwei noch
nicht schulpflichtigen Kindern. Seine Ernennung zum Hauptkommissar
stand unmittelbar bevor.
    »Chef, ich habe da …« druckste er
ein bisschen rum, bevor er fortfuhr. »Also, ich meine, Dr. Wehmayer
hat ja bei der ersten Versammlung gesagt…«
    »Komm, Marc, nun komm zu Potte«,
munterte Fassbinder ihn auf. Er pflegte alle seine Mitarbeiter zu
duzen, während sie ihn siezten.
    »Also gut, mir ist da so ein Gedanke
gekommen. Sie wissen ja, dass ich mit Michael Feldt vom Einbruchs
…«
    »Mensch Marc, bitte nicht bei Adam
und Eva anfangen,« funkte sein Chef jetzt - ganz gegen seine
Gewohnheit - etwas ungehalten dazwischen.
    »Also ich meine, dass zwischen
unserem Fall und dem Einbruch in einem Speed-Date-Bistro im
Luisenviertel ein Zusammenhang bestehen könnte.« Erstaunen zeigte
sich auf den Gesichtern der Kollegen, zumal die meisten von ihnen
noch nichts von diesem Vorfall gehört hatten.
    Marc schilderte kurz den Sachverhalt
und hob besonders zwei Punkte hervor. Zum einen war das Verhalten
des Täters, nämlich nur die Karteikarten zu stehlen, atypisch und
ließ seiner Meinung nach auf eine psychische Störung schließen. Zum
anderen wies das Logo unter anderem zwei Spielkarten auf, eine
Herz-Dame und einen Herz-Buben.
    »Ich weiß, das klingt so auf den
ersten Blick nicht ganz überzeugend, aber momentan haben wir ja
noch nicht wirklich viel und da habe ich gedacht…«.
    »Nein, Marc, das ist okay. Da könnte
was dran sein. Vor allem die Sache mit den geklauten Dateien.«
Erleichtert atmete Marc durch. »Noch nicht so ganz vom Tisch ist
doch auch die Vermutung, es könnte einen Zusammenhang zwischen dem
Gerresheim-Fall und unserem jetzigen Mord geben. Das heißt, wir
müssten Parallelen finden. Ein Bezug zu Wuppertal scheint mir eher
unwahrscheinlich. Aber es könnte doch sein, dass unser Täter sein -
wie soll ich sagen - sein Operationsfeld von Düsseldorf nach
Wuppertal verlegt hat. Oder ganz einfach umgezogen ist.«
    Es war still im Raum geworden. Die
Kollegen lauschten gespannt Marcs Ausführungen. Das hatte dieses
Team schon immer ausgezeichnet, dass jeder von ihnen aufmerksam
zuhörte, wenn ein Anderer seine Theorie entwickelte. Und mochte sie
noch so unwahrscheinlich sein. Vielfach war das schon der Schlüssel
zum Erfolg gewesen. Mutig fuhr Marc fort. »Deshalb habe ich schon
mal ein wenig recherchiert. Gerresheim gehört zum Düsseldorfer
Einzugsgebiet. Und dort gibt es ebenfalls einen Veranstalter für
Speed-Date-Partys, der das Geschäft schon deutlich länger betreibt
als das hiesige ›Vera & Friends-Bistro‹. Dort handelt es sich
um das ›6-6-6‹. Die Veranstaltungen finden etwa doppelt so häufig
statt wie hier. Es treffen sich jeweils sechs Damen und sechs
Herren, die jeweils sechs Minuten miteinander sprechen und sich
dann entscheiden, ob ihre E-Mail-Adresse vom Veranstalter an den
Gesprächspartner weitergegeben werden soll. Hier in Wuppertal gilt
das gleiche System, nur dass alles auf die »9« abgestellt ist: Also
neun Damen, neun Herren, neun Minuten.«
    »Du meinst also, man müsste prüfen,
ob es Teilnehmer gibt, die bei beiden Veranstaltern registriert
sind?«
    »Genau, Chef. Das könnte zwar eine
Sisyphus-Arbeit werden, aber einen Versuch ist es allemal wert,
meine ich.«
    »Keine schlechte Idee und wenn sie
nur dazu dient, uns endgültig von der Theorie zu verabschieden,
dass ein Zusammenhang zwischen beiden Taten besteht. Außerdem wird
das so aufwändig nicht sein, vorausgesetzt, die Veranstalter
verfügen über aussagekräftige Dateien. Der Abgleich ist dann

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