Gabriel oder das Versprechen
konnten. Wie es zurzeit aussieht, liegt die einzige
Gemeinsamkeit in der Verwendung desselben Tatwerkzeugs. Auch die
Zahl der Einstiche ist deutlich unterschiedlich.«
»Wie viele Einstiche waren es?«
fragte der Vertreter der Wuppertaler Rundschau weiter.
»Im Gerresheim-Fall drei, im
neuesten Mordfall neun.« In einer der hinteren Reihen meldete sich
ein weiterer Journalist zu Wort. »Marc Bayer, Rheinische Post. War
das Opfer gefesselt?«
»Hatte ich das nicht erwähnt? Dann
bitte ich um Nachsicht. Also die Frau wies an den Oberarmen und im
Schulterbereich Hämatome auf, die darauf schließen lassen, dass der
Täter - wahrscheinlich, nachdem er ihr den Mund verklebt hatte -
sie hart angepackt hat, um sie in eine bestimmte Position zu
bringen. Offensichtlich, um das Opfer auf einen Stuhl zu zwingen.
Denn an den Stuhlbeinen haben wir Fasern eines zur Fesselung der
Hand- und Fußgelenke benutzten blauen Seils gefunden.
Dementsprechend konnten auch an diesen Körperteilen Hämatome bzw.
Scheuerstellen festgestellt werden.«
»Wurde die Frau missbraucht?«
stellte der Journalist eine weitere Frage.
»Nein, keine diesbezüglichen
Merkmale. Gewalt wurde wohl nur angewandt, um die Fesselung zu
ermöglichen.«
»Yvonne Deters, Radio Wuppertal. Wie
deuten Sie die exakte Lochung der Herz-Dame-Spielkarte oben links
im »D« und was hat das Hinterlassen der Spielkarte überhaupt zu
sagen?«
»Dass es sich um eine
Herz-Dame-Spielkarte handelt, deutet wiederum eher auf einen Mann
als Täter hin. Hinsichtlich der Lochung oben links haben wir eine
Vermutung, zu der wir aber aus bestimmten Gründen derzeit noch
nichts sagen wollen!«
Gemurmel unter den anwesenden
Journalisten war die Folge. »Aber damit heizen Sie doch nur wilde
Spekulationen an.«
»Tut mir leid. Wir werden dazu
augenblicklich nichts sagen.«
Die Geräuschkulisse nahm ab. Nach
und nach kehrte wieder Ruhe ein. »Weitere Fragen?«
Dr. Wehmayer blickte in die Runde.
Er wirkte niedergeschlagen. Man musste den Eindruck gewinnen, als
ob das sich und seinen Kollegen auferlegte Schweigen zu einigen
Punkten nicht seiner inneren Überzeugung entsprach. »Dann lassen
Sie uns wieder an die Arbeit gehen, damit wir diesen grausamen
Mordfall möglichst rasch aufklären und den
Täter dingfest machen können«, sagte er, ohne dass Zuversicht aus
seinen Worten sprach. »Danke, meine Damen und Herren!«
14
Gabriels Wohnung, Donnerstag, 14.
Mai, 8.10 Uhr
Interessant, was ich so über mich
höre und lese, dachte Gabriel und schaltete den Fernseher aus.
Gerade waren in den 8.00-Uhr-Nachrichten die neuesten Informationen
aus der gestrigen Pressekonferenz bekannt gegeben worden. Auch in
der Westdeutschen Zeitung waren die erste Seite und der Kommentar
auf Seite zwei fast ausschließlich ihm und seiner Tat
gewidmet.
Es erfüllte Gabriel mit Stolz zu
wissen, dass die Ermittlungen stockten und die Mordkommission im
Dunkeln tappte. Konnte er doch so seinen göttlichen Auftrag zu Ende
führen. Nichts hatten sie gegen ihn in der Hand. Er war vorsichtig
und umsichtig zu Werke gegangen. Nur der Zeitpunkt der Bestrafung
war nicht ungefährlich, wie er sich eingestand. Aber andererseits
hatte er die Vormittagsstunden des Sonntags bewusst gewählt, den
Tag des Herrn.
*
Gabriel ließ die Geschehnisse
nochmals in seiner Erinnerung an sich vorüberziehen. Wie beim
Betrachten von auf eine Leinwand projizierten Dias tauchten die
Bilder des sonntäglichen Vormittags erneut vor seinen Augen auf.
Maren, Maria, Magdalena!
Du bist in die Frühmesse gegangen,
um für dich kirchlichen Beistand zu erbitten. Den aber konntest du
nur durch mich erlangen. Und ich habe ihn dir nach deiner Rückkehr
aus der Kirche gewährt. Ich habe dir die Verse aus dem Evangelium
nach Lukas vorgelesen, mit denen der Erzengel Maria die Geburt des
Heilands verkündete. »Sei gegrüßt, Begnadigte! Der Herr ist mit
dir; gesegnet bist du unter den Weibern! Fürchte dich nicht, Maria,
denn du hast Gnade bei Gott gefunden!« wiederholte er laut die
Worte aus der Bibel.
Viel zu erschrocken bist du gewesen,
als ich dich plötzlich packte, fesselte und dir den Mund verklebte,
erinnerte er sich weiter. Dann musstest du mir zuhören, ob du
wolltest oder nicht. Und du musstest meine Entscheidung
akzeptieren. Du warst mir ausgeliefert, mir, dem der Herr befohlen
hat, dich von deinen Sünden zu befreien. Durch den Tod. Sühne für
deine Sünden. Vergebung … Erlösung…
*
Als die Bilder an ihm vorübergezogen
waren,
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