Gabriel oder das Versprechen
einem schlichten weißen T-Shirt. Die Begrüßung
durch den Chef persönlich war wie von Niko beschrieben. Beide
gewannen sie den Eindruck, als Stammgäste begrüßt zu werden. »Komme
Sie, Signore Altmann, habe für Sie schönste Platz für romantische
Abend zu zweit reserviert«, strahlte er über das ganze Gesicht,
schaute Sandra tief in die Augen und zwinkerte Niko
vielversprechend zu. »Komme Sie, gleich hier oben an Fenster«. Er
ging voraus auf das leicht erhöhte Podest, auf dem sich ein Vierer-
und zwei Zweiertische befanden. »Bitte, Signora!« wandte er sich
Sandra zu und rückte den Stuhl zur Seite, so dass sie Platz nehmen
konnte. »Kleine Aperitiffe zu Begrüßung?«
Sie bestellten zwei Gläser Prosecco
und schauten sich in aller Ruhe die Karte an. Sandra wählte als
Vorspeise einen Feldsalat mit Cocktailtomaten und gebratenem Speck,
Niko eine Kürbiscremesuppe. Bei der Hauptspeise einigten sich beide
auf Fisch. Sie nahm eine Dorade, er einen Wolfsbarsch. Dazu tranken
sie einen Pinot Grigio.
Der Abend verging wie im Fluge. Viel
gab es zu erzählen. Sie sprachen von ihrer Schulzeit und der
anschließenden Ausbildung. Im Laufe des Abends kamen sie
unwillkürlich auch auf den Abend vor einer Woche zu sprechen, als
sie sich bei ›Vera & Friends‹ zum ersten Mal begegnet waren. Da
Sandra ihm am vergangenen Freitag ganz freimütig erzählt hatte,
dass es bereits ihr zweiter Versuch gewesen sei, auf diesem Weg
jemanden kennen zu lernen, offenbarte er sich ihr gegenüber
ebenfalls ohne jede Scheu.
»Mein erster Versuch mit einem
solchen Speed-Dating liegt schon gut drei Jahre zurück. Es war eine
ganz verrückte Geschichte. Meine ein Jahr jüngere Schwester, im
Gegensatz zu mir eine richtig wilde Party-Maus, hat mir zum Abitur
einen Gutschein zu einer solchen Veranstaltung in Köln für die
Altersgruppe 20 bis 30 geschenkt. ›Zur Goldenen Sieben‹ nannte sich
der Laden. Eigentlich mehr um ihr einen Gefallen zu tun, bin ich
hingegangen. Es war der totale Reinfall. Ich hab kein Wort
rausgebracht. Stimmt nicht ganz, aber ich habe ziemlich
rumgestottert und nur blödes Zeug erzählt. Es war grauenhaft. Ich
war froh, als die sieben Gespräche vorbei waren.«
»Und? Hast du trotzdem ein paar
Adressen bekommen?«
»Nicht eine einzige!« antwortete
Niko und machte ein ziemlich bedröppeltes Gesicht.
»Wieso nur so wenige Gespräche?«
versuchte sie Niko abzulenken.
»Ja, die Teilnehmerzahl war geringer
als hier in Wuppertal. Sieben Frauen, sieben Männer, sieben
Gespräche.« Er machte eine kleine Pause, bevor er leise hinzufügte.
»Und das Ambiente war auch ein bisschen … ein bisschen anrüchig.
Nicht so nett und freundlich wie in Veras Bistro.«
»Und das hat dir dann den Rest
gegeben, nicht wahr?«
»Mach dich ruhig lustig über mich!«
schmollte Niko. »Nein, überhaupt nicht. Aber ich kann mir schon
vorstellen, dass das nicht so witzig ist, wenn man noch etwas
unerfahren ist und sich eine so geballte Abfuhr einhandelt.« Sie
wechselten das Thema. Sie unterhielten sich über Urlaube, Filme und
zuletzt über Bücher, einem Metier, in dem sich beide gut
auskannten. Niko staunte über Sandras Belesenheit und so nahm sie
ihn zunehmend gefangen. Gegen drei Viertel elf beglich Niko die
Rechnung. Den dann obligatorischen Grappa ›auf's Haus‹ durften sie
dem Chef natürlich nicht abschlagen, obwohl Sandra einwandte, noch
Auto fahren zu müssen.
»Signora, Signora, Sie nicht wolle,
dass ich ganze Nacht nicht kann schlafe!« winselte er.
»Okay, wenn das so ist… aber bitte,
bitte nur einen winzig kleinen Schluck!« gab Sandra schließlich
nach. »Claro, Signora, nur eine winzige Schlucke!« Sie tranken
ihren Absacker, verabschiedeten sich herzlich und verließen das
Restaurant.
18
Emilienstraße 31, Samstag, 16. Mai,
23.15 Uhr
Im Auto trat dann die Situation ein,
an die beide während der letzten halben
Stunde schon mehrfach - durchaus mit gemischten Gefühlen - gedacht hatten. Fast gleichzeitig wollten sie das Schweigen brechen.
»Ich meine, wir …«, begann
Niko.
»Also, du wohnst…«, fing Sandra
an.
»Was wolltest du sagen?« fragte Niko
und es war ihm schon ziemlich recht, auf
diese Weise nicht die Initiative ergreifen
zu müssen.
»Ich wollte sagen, dass … Also, du
wohnst ja mit deinem Kollegen zusammen, nicht wahr? Dann wär's
eigentlich schon besser, wir würden - wenn wir noch einen Schluck
trinken wollen - wir würden zu mir fahren. Vielleicht magst du ja
einen Espresso oder
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