Gabriel
sie, wie die vertraute Wärme unter ihrer Hand entstand, in ihren Arm und in den ohnmächtigen Mann drang.
Das passiert nicht wirklich, dachte sie, während eine seltsame Schwäche ihren Körper erfasste. Mr. BMW bewegte sich, die Brandmale verblassten. Ich kann heilen, und ich kann Blitze vom Himmel herabrufen. Es war ein flüchtiger Gedanke, eine Flüsterstimme in ihrem Gehirn. Und eine Wahrheit, so eindeutig, dass sie nicht ignoriert werden konnte.
Juliette öffnete die Augen und sah den Mann, dem sie die Münzen gegeben hatte, gegenüber am Straßenrand stehen. Schweigend schaute er sie an. Plötzlich raste ihr Herz, und sie fühlte sich so gelähmt wie ein Reh im Scheinwerferlicht eines Autos.
Unter ihrer Handfläche drehte sich Mr. BMW ein wenig zur Seite und hob die Lider. Juliette beobachtete ihn und blinzelte. Dann zog sie hastig ihre Hand zurück.
Sie war völlig erschöpft. So wie damals, nachdem sie den Surfer in Australien gerettet hatte. Das passiert wirklich. Auch was ich dort getan habe, war real. Keine Halluzination.
Nun blickte der Mann zu ihr auf, zwinkerte und hob einen Arm, um sein Gesicht vor dem Regen zu schützen. Dann runzelte er die Stirn. »He, was ist los?«, stieß er angewidert hervor, mit starkem schottischem Akzent. »Bestehlen Sie mich oder was?«
Das würde sie sich nicht gefallen lassen, trotz der unglaublichen Situation. Heller Zorn stieg in ihr auf. Nur zu gut erinnerte sie sich an sein unverschämtes Benehmen und starrte ihn verächtlich an. »Sie sind ohnmächtig geworden. Wie ein kleines Mädchen. Und ich wollte Ihnen nur helfen.«
Zu ihrer Verblüffung verzog sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen, und er begann zu lachen. Ein nettes Lachen, tief und aufrichtig. »Ah, das passt zusammen. Endlich hab ich was aus meiner Scheidung rausgeholt, was sich lohnt, nämlich das Vehikel, und der Allmächtige nimmt’s mir wieder weg. Offenbar mag er meine Ex lieber als mich.«
Er versuchte sich aufzusetzen, und Juliette half ihm unwillkürlich.
»Sie sehen genau so aus wie sie«, fügte er hinzu, »als sie ein junges Mädchen war.« Seufzend strich er sich über die Glatze und wischte die Regentropfen weg. »Für mich war sie zu gut. Das hätte sie wissen müssen. Und ich auch.« Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, dass ich so ein Arschloch bin.«
Juliette blinzelte wieder. Hatte er deshalb gehupt, bis sie ausgeflippt war? Wow, das muss eine grässliche Scheidung gewesen sein. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte den Regen. Was sollte sie dazu sagen? Obwohl sie vor Kälte zitterte, gelang es ihr zu lächeln. »Schon gut.«
Hilflos zuckte er die Achseln. »Sie sehen wirklich wie meine Ex aus – jetzt, da ich meine Brille nicht mehr habe und alles verschwimmt.« Er suchte den Boden ab, fand nichts und schien es aufzugeben. »Übrigens, ich bin Albert«, stellte er sich vor und streckte seine Hand aus.
Nach kurzem Zögern ergriff sie diese. Von einem schlaffen Händedruck hielt sie nichts, ganz egal, unter welchen Umständen. »Ich bin Juliette.« Dann musterte sie die Fahrzeuge ringsum. In der Ferne ertönten Sirenen, etwa zwanzig Autos weiter vorn stritten zwei Leute wegen eines verbeulten Kotflügels. Inzwischen hatten Mr. BMW und Juliette auch ein beachtliches Publikum angelockt.
»He, ist mit euch alles in Ordnung?« Zwei Jungs spähten um den Wagen hinter dem schwelenden BMW herum, ihre Sorge wirkte echt. »Braucht ihr einen Notarzt?«
»Da ist schon einer unterwegs, James«, sagte der andere.
»Hörst du’s nicht?«
Das Gespräch wurde fortgesetzt. Aber Juliette ignorierte die beiden und neigte sich näher zu Albert. »Können Sie aufstehen?«
»Ja, ich glaube schon. Ich dachte, der Blitz hätte mich erwischt.« Prüfend berührte er seine Arme und sein Gesicht. »War wohl ein Irrtum. Nicht mal meine Ohren dröhnen.«
Warum nicht, wusste Juliette. Während das Gewitter abzog und damit ihre Emotionen widerspiegelte, hämmerte diese Erkenntnis gegen die Tür ihres Bewusstseins und behauptete sich geradezu unverfroren. Der Blitz hatte Albert schwer verletzt. Daran war sie schuld, nicht irgendeine Naturgewalt. Und seine Genesung verdankte er ihr. So lautete die reine Wahrheit. Doch sie erwiderte nur: »Vielleicht mag der Allmächtige Ihre Ex gar nicht lieber.«
Albert quittierte ihr ironisches Lächeln mit einem schiefen Grinsen, und sie half ihm auf die Beine.
Zwanzig Minuten später traf die Polizei ein und scheuchte alle Leute in
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