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Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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schneller eilte sie voran, auf die inneren Räume konzentriert. Es knisterte lauter, das Licht strahlte heller. Endlich bog sie um eine Ecke und erreichte einen Hof. Hier hatte eine Kapelle gestanden, versteckt im Zentrum des Schlosses, um die Bewohner vor der tödlichen Bigotterie andersgläubiger religiöser Fanatiker zu schützen. Längst war das kleine Gotteshaus verschwunden, der Garten im Hof verwildert. Durch das hohe Gras wanden sich die Trampelpfade der Touristen.
    Aber da führte immer noch eine Wendeltreppe nach oben! Juliette schaute empor, bis sie das erste Stockwerk des Schlosses sah. Dort prasselte das Feuer. Schon vor Jahrzehnten mussten Boden und Decke des Geschosses eingestürzt sein, und trotzdem schienen sie jetzt vorhanden.
    Mit großen Augen starrte sie hinauf. Da stand ein Himmelbett mit seidenen Vorhängen auf einem Teppich. Einladend loderten Flammen in einem mächtigen steinernen Kamin. Vor leeren Fensterhöhlen bauschten sich bodenlange weiße Gardinen. Wie in einem Traum.
    Ein Traum.
    Das Herrschergemach. Juliette erkannte es wieder. Als wäre sie schon einmal hier gewesen. Gegen die Macht, die sie zu der Wendeltreppe zog, kämpfte sie nicht an. Sie stieg die Stufen hinauf und spürte die Nähe Gabriels, der ihr folgte. Immer wärmer wurde die Luft, obwohl ein kalter Wind durch die leeren Fensterhöhlen des alten Schlosses wehen musste. Auf dem Treppenabsatz wurde sie von der wohligen Wärme des Kaminfeuers umfangen.
    In den entsprechenden Halterungen brannten Fackeln, an den eigentlich halb verfallenen Mauern prangten Wandteppiche, die Erzengel mit Schwertern und Schilden zeigten. Mit geblähten Vorhängen lockte das Bett.
    »Wie ist das möglich?«, wisperte Juliette und spürte, wie ihr zugleich heiß und kalt wurde.
    »Weil wir Engel sind, Babe.« Gabriel lachte leise. In ihrem Rücken spürte sie seinen kraftvollen Körper. Dann berührte er ihr Kinn und brachte sie dazu, ihn anzuschauen. »Gefällt es dir hier?«
    An seinen silbernen Augen erkannte sie, wie aufgewühlt er war. Seine Pupillen weiteten sich, das Feuer im Kamin loderte heller.
    Gefällt es mir hier? Ihre Seele flüsterte die Worte, die in ihr Bewusstsein schwebten wie Funken aus dem Kamin. Mein Gott, er hat die Zeit für mich zurückgedreht. Ihr Atem ging stoßweise, die Knie wurden ihr weich. Gabriel hatte ihre geheimsten Träume Wirklichkeit werden lassen.
    Sie konnte nicht einmal antworten, doch das war auch nicht nötig. Gabriel schaute ihr in die Augen, so wissend wie kein Mensch jemals zuvor. Langsam ging er um sie herum, bis sie einander gegenüberstanden. Ihr Kinn hatte er nicht losgelassen, seine Nähe wärmte sie genauso wie das Kaminfeuer.
    Er neigte sich zu ihr. Vor dem Mond sah sie seinen Schatten, dann gab es nur mehr Hitze und Dunkelheit, Zimtgeschmack auf seinen Lippen, die ihre streiften. Und seine Worte glichen einem magischen Gesang, der sie verzauberte.
    »Mo sheacht míle grá thú« ,murmelte er. Irgendwo, in der Tiefe ihres Herzens, verstand sie alles. Zärtlich küsste er sie. Es war ein himmlisches Gefühl. Ihren Mundwinkel küsste er, ihre Wange. Seine Lippen erreichten ihr Ohr, und er trat noch näher. Selbst entflammt, spürte sie die Hitze, die er ausstrahlte. Der Wind legte sich. An der Küste verstummte die Brandung, die Möwen schwiegen. Er war die Finsternis und eine uralte Macht, so untrennbar mit dem Land verbunden, auf dem er stand, dass es seinen unausgesprochenen Befehlen gehorchte und Juliette in seinen Bann schlug.
    »Mo ghrá thú« ,flüsterte er und jagte einen köstlichen, verheißungsvollen Schauer über ihren Körper. Stöhnend grub er seine Finger in ihr Haar. »Mo ghrá, thú« ,wiederholte er, diesmal mit rauer Stimme, von Gefühlen übermannt, die er nicht mehr zügeln konnte.
    Du bist meine Liebe, übersetzte ihr Gehirn, und die Worte berauschten sie wie ein Aphrodisiakum. Ich liebe dich.
    Und dann verschloss ihr ein Kuss den Mund. Ihr stockte der Atem, ihr Herz raste, als wollte es ihr in der Brust zerspringen. Ein Stöhnen stieg in ihrer Kehle auf. Durch ihre Adern strömte ein Feuer, das sie zu verzehren drohte, und Gabriel presste sie mit einer Glut an sich, die ihrer eigenen glich.

20
    Wie viel Slains ihr bedeutete, hatte er gewusst. Schamlos hatte sein Bruder Azrael ihr Gehirn erforscht, während er mit ihr aus dem Liftschacht geflohen war. Dann hatte er ihm empfohlen, Juliette zu umwerben, und Gabriel hatte ihm alle nötigen Informationen entlockt. Schließlich

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