Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
Vom Netzwerk:
Zögernd hob sie die Hand und berührte den Namen, der in den verwitterten Stein gemeißelt war. »Agatha MacDonald, das war ich. «

22
    Juliette lag auf Gabriels Couch und beobachtete die Flammen, die im steinernen Kamin loderten. Das Cottage lag fast direkt an der Küste. Deutlich hörte sie die Brandung, die gellenden Schreie der Möwen.
    Da seine Heilung und die Blitzattacke gegen den Adarianer sie deutlich geschwächt hatten, hatte Gabriel ihr den Fußmarsch zu seinem Domizil erspart und die Kirchentür als Portal benutzt. Im Cottage angekommen, hatte er Juliette in Decken gewickelt, aufs Sofa verfrachtet und einen starken Tee mit Milch zubereitet. Der schmeckte köstlich.
    Außerdem hatte er magische Goldfäden in ihre Kleidung gewoben. Juliette hatte die für einen ›kugelsicheren‹ Schutz vor der sonderbaren Waffe gehalten, die der Adarianer abgefeuert hatte. Aber Gabriel hatte erklärt, die Feinde seien allergisch gegen Gold. Also erfüllte seine Maßnahme einen doppelten Zweck. Sie würde die Wirkung eines Splittergeschosses verringern und Adarianer daran hindern, Juliette zu lange zu berühren.
    Nun ging die Nacht allmählich in die frühen Morgenstunden über. Juliette dachte an alles, was sie herausgefunden hatte, seit sie im Schlafgemach von Slains Castle erwacht war. In Gabriels Armen. Träume von der Vergangenheit hatten sie stets verfolgt. Niemals hatte sie die Hintergründe ihrer Faszination verstanden, weder bewusst noch unbewusst. Aber die historischen Ereignisse waren ihr immer so gegenwärtig erschienen. Sie sah und fühlte, hörte und roch so vieles, als wäre sie in alten Zeiten an bestimmten Orten gewesen. Jetzt wusste sie, warum.
    Dieser letzte aufschlussreiche Traum änderte alles. Eines Nachts, vor einigen Jahrhunderten, war sie von den Klippen von Cruden Bay hinabgestürzt und neben Alexander Mac-Leods Grab bestattet worden. Ihr Name hatte Agatha gelautet, und es war ihr letztes Leben gewesen – vor diesem.
    Alles war ihr wieder präsent, jede Einzelheit. An alles erinnerte sie sich, an jeden Namen, jedes Gesicht, jede Jahreszeit, an die Mode. Wie in einem Film spielten sich die Ereignisse vor ihrem geistigen Auge ab. Nur dass dies kein Film war. Sie selbst hatte das alles erlebt. Es war erstaunlich und erschreckend, verständlicherweise. Aber vor allem empfand sie eine große Zufriedenheit, als wäre das letzte fehlende Puzzleteilchen ins Gesamtbild eingefügt und das Rätsel gelöst worden.
    Warum sie so viele Leben gelebt hatte, verstand sie nicht, und sie fand es verwirrend, dass eine Wiedergeburt überhaupt möglich war. Andererseits erschien es ihr natürlich. Und seit sie sich ihrer unzähligen Schritte über die Hügel und Felsen und Moore Schottlands entsann, fühlte sie sich diesem Land enger verbunden denn je, vielleicht noch inniger als Gabriel Black. Sie sah den silberäugigen Erzengel durch sein Haus gehen. Überall errichtete er goldene Schutzschilde. Außerdem erzeugte er goldene Waffen. Nachdem sie von ihrem einstigen Leben gesprochen hatte, hatte er nicht beunruhigt gewirkt. Anfangs war er ein bisschen überrascht gewesen, doch dann hatte er kurz nachgedacht und einfach nur genickt. »Ja, das ergibt einen Sinn.«
    Gabriel, der ehemalige Himmelsbote. Hatte sie nicht etwas über ihn gelesen? Gewiss, Religion zählte nicht zu ihren Fachgebieten, aber man konnte sich nicht mit der Vergangenheit befassen, ohne hier und da auf religiöse Themen zu stoßen.
    Jetzt drang irgendetwas, was mit dem Erzengel Gabriel zusammenhing, in Juliettes Gedächtnis. Er war nicht nur der Himmelsbote, sondern möglicherweise auch der berühmteste der vier Lieblingserzengel, im Islam ebenso bekannt wie im Judaismus und Christentum, hauptsächlich als Mittler zwischen dem himmlischen und dem menschlichen Reich. Zudem wurde er mit Auferstehung und Wiedergeburt in Verbindung gebracht.
    Sowie mit dem Mond? Juliette spähte durch das Fenster. Leuchtend weiß stand der Vollmond am frühen Morgenhimmel. Alles passte zusammen, Gabriel hatte recht. Ganz eindeutig, es ergab einen Sinn.
    »Damit ich das richtig verstehe«, sagte sie, ohne genau zu wissen, welche Worte sie wählen sollte.
    »Was, Liebes?« Gabriel blieb mitten im Wohnzimmer stehen.
    »Musste ich, weil du mein Erzengel bist und mit Wiedergeburt zu tun hast und weil ich zu deinem Sternenengel erkoren wurde, so oft leben und sterben?« Heller Zorn stieg in ihr auf, als sie an ihren Sturz von den Klippen dachte. So viele Leben, und in keinem

Weitere Kostenlose Bücher