Gabriel
Couchtisch und servierte dazu frisch aufgebackenes warmes Brot. Er setzte sich zu Juliette auf das Sofa, legte einen Arm um ihre Schultern, und sie fühlte sich sofort sicher und geborgen.
In einträchtigem Schweigen aßen sie und betrachteten das Kaminfeuer. Woran Gabriel dachte, wusste Juliette nicht. In ihrem eigenen Kopf drehte sich alles nach den unglaublichen Ereignissen der letzten Woche. Erst vor wenigen Stunden hatte sie im restaurierten Schlafgemach von Slains Castle einen Feind mit einem Blitz niedergestreckt. Das allein erschien ihr schon unfassbar.
»Gabriel?«
»Ja, Liebes?«
»Was machen wir mit dem Adarianer?«
Bis er antwortete, dauerte es eine Weile, und Juliette versuchte sich seine Überlegungen vorzustellen. Was musste er tun? Wie Gabriel, seine Brüder, Max und sogar Lilith betont hatten, trieben sich da draußen sehr viele Adarianer herum, stets eifrig bestrebt, an Sternenengel heranzukommen.
Gewiss würde Gabriel nicht Jagd auf die Adarianer machen wollen. Wo der eine aufgetaucht war, würden die Erzengel auch andere aufspüren, aber im Moment wussten sie noch zu wenig über die kampfstarken Krieger. In der nächsten Schlacht durften sie nicht mit einem Sieg rechnen. Und jetzt hatten zwei Erzengel gute Gründe, am Leben zu bleiben.
Als Juliette zu dieser Erkenntnis gelangte, blinzelte sie. Uriel und Gabriel hatten ihre Sternenengel und einen neuen Sinn in ihrem Dasein gefunden. Auch Ellie wirkte glücklich in der Rolle, die sie jetzt spielte.
Juliette beobachtete den Erzengel, für den sie erwählt, nein, erschaffen worden war. Von allen weiblichen Wesen des Universums ausgerechnet sie. Ohne jeden Zweifel gehörte sie zu den vier beneidenswertesten Frauen auf Erden. Genauso glücklich mussten die Erzengel sein, die ihren Partnerinnen begegnet waren. Das fühlte sie in der Tiefe ihres Herzens. Was sie über zweitausend Jahre lang gesucht hatten, wollten sie sicher nicht wieder verlieren. Niemals würden sie ihre Seelengefährtinnen willentlich in einen Kampf mit hineinziehen. Andrerseits würden sich die beiden Frauen mit ihren Heilkräften wohl kaum von einem Kampf fernhalten, wenn jemand, der ihnen viel bedeutete, verletzt wurde oder sogar sterben könnte.
»Schon gut«, sagte sie unvermittelt, denn Gabriel sollte nicht zugeben, dass er keine Ahnung hatte, was zu tun war. Sie spürte die Hitze, die er ausstrahlte, und eine neue Anspannung. Offenkundig stieg Zorn in ihm auf. Und Angst. Nun bereute sie ihre Frage.
Impulsiv berührte sie seine Wange und drehte sein Gesicht zu sich. In den silbernen Augen las sie den Tumult seiner Gefühle, der ihr die Kehle verengte. Und sie errötete bei der Erinnerung an die Glut seines Blickes in jenem Moment, da er sie mit Körper und Seele für sich beansprucht hatte.
In ihrer eigenen Brust entstanden widersprüchliche Emotionen, die sie nie zuvor gekannt hatte. Sanftmut und zugleich Entschlossenheit, erwartungsvolle Freude und Furcht. So schmerzlich und verheißungsvoll.
Plötzlich wollte sie ihn nur noch küssen. Als hätte er ihre Gedanken erraten, presste er seinen Mund auf ihren. Das köstliche Essen in ihrem Bauch, der Duft seiner Seife auf ihrer Haut, die Wärme seines schützenden Hauses, das alles gab Juliette das Gefühl, an einem friedvollen Ort zu weilen, und der Rest der Welt trat in den Hintergrund. Nach und nach akzeptierte sie sämtliche Aspekte ihres Schicksal, entspannte sich, und endlich schlief sie ein.
23
Langsam erwachte Juliette, eingehüllt in Wärme und eine Mischung aus Hart und Weich. Sie hörte ein Feuer knistern und fühlte sich zunächst unsicher. Doch sie roch keinen Rauch, sondern maskulinen Seifenduft, öffnete die Augen und schaute sich in einem schlicht eingerichteten Raum um.
In den Wänden sah sie vergoldetes hölzernes Fachwerk. Weißgoldene Vorhänge schmückten die Fenster. Durch das weiße Laken, das Juliette bedeckte, zogen sich Goldfäden. Ihr Körper fühlte sich etwas mitgenommen an, aber köstlich. Versuchsweise bewegte sie ihre Beine und spürte ein schwaches Brennen zwischen den Schenkeln. Erinnerungen stürmten auf sie ein, und sie erschauerte. Dann lächelte sie.
»Guten Morgen, Süße«, erklang eine tiefe Stimme, die wie immer ein wunderbares Versprechen enthielt. Gabriel lag hinter ihr in seinem Bett. An ihrem Rücken spürte sie seine harte Brust und wandte den Kopf zu ihm. Auf einen Ellbogen gestützt, erwiderte er ihren Blick.
»Wie lange beobachtest du mich schon?«
Grinsend
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