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Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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hatte sie alle ihre besonderen Fähigkeiten besessen, sondern höchstens eine oder zwei. Niemals war sie imstande gewesen, jemanden zu heilen, sondern erst bei dem Unfall des Surfers vor der Küste Australiens. Vorher war sie nur ein einfacher Mensch gewesen, in einer Welt schmerzlicher menschlicher Existenz, oder als Hexe gebrandmarkt und von den Leuten in ihrem Dorf gemieden worden. Man hatte sie ermordet, erstochen, gehängt, in Verliese geworfen, vergewaltigt, sogar auf einem Scheiterhaufen verbrannt.
    An alles erinnerte sie sich, an jeden grausigen Moment. Und Gabriels Kaminfeuer milderte die eisige Kälte nicht, die ihr Blut gefrieren ließ.
    Sein Blick war unergründlich. Nach einem langen Schweigen schloss er die Augen. »Also hast du es herausgefunden?«
    »Daran bist du schuld, nicht wahr?« Juliette erhob ihre Stimme nicht. Sie konnte es nicht, weil ihr die Erkenntnis den Atem nahm.
    »Mein Werk war es nicht, meine Süße. Diesem Leid hätte ich dich niemals ausgeliefert.« Er schlug die Augen wieder auf. Flehend schaute er sie an, kniete vor ihr nieder und ergriff ihre Hände, die sie ihm nicht entzog.
    »O Gabriel, weißt du, was ich durchgemacht habe?« Unter der Last der Vergangenheit brach ihre Stimme. Beinahe roch sie den Rauch des brennenden Scheiterhaufens, auf dem sie vor so vielen Jahren festgebunden worden war. Sie erinnerte sich an das zischende Geräusch eines Messers, das ihre Brust aufgeschlitzt hatte, an einen Galgentod, ein Ertrinken. Und die Krankheiten, so grässlich, dass Juliette die Visionen verdrängte.
    »Ja«, antwortete Gabriel leise und schaute ihr tief in die Augen. »Tut mir ehrlich leid. Nichts fürchten die Menschen so sehr wie die Dinge, die sie nicht verstehen. Und was du warst, haben sie nie verstanden.«
    Eigentlich hätte sie verrückt werden müssen, wenn sie sich entsann, wie oft sie eines gewaltsamen Todes gestorben war. All die grausamen Folterungen, die höllischen Schmerzen. Aber sie spürte einfach nur dieses Wissen in sich. War das Weisheit? Durfte sie eitel sein und es so nennen? Half einem der Tod, das vorausgegangene Leben zu objektivieren?
    »Uriel war der Racheengel. Hat Eleanore seinetwegen leiden müssen, Gabriel?«
    »Darüber habe ich nachgedacht, als du deine Vergangenheit erwähnt hast. Ob Eleanore deswegen so lange verfolgt wurde. Wegen ihrer Talente haben die Adarianer sie gnadenlos gejagt.« Gedankenverloren starrte er ins Leere. »Voller Rachsucht, könnte man sagen.«
    »Allmächtiger«, flüsterte sie. Wie ungerecht, dass eine Seele für eine andere büßen musste! Von neuem Entsetzen erfasst, rang sie nach Luft. »Und was zum Teufel bedeutet das für Azraels Sternenengel? Er war der Engel des Todes!«
    Da sah er sie wieder an, und angesichts seiner Miene wuchs ihre Angst. Offenbar war dieser Gedanke auch ihm durch den Sinn gegangen, und er fürchtete das Schlimmste. »Das weiß ich nicht«, gestand er.
    Was Juliette dachte, sprach sie nicht aus. Es war überflüssig. Welches Leid Azraels Sternenengel auch bereits ertragen haben mochte oder noch zu ertragen gezwungen war, es hing mit dem Tod zusammen. Vielleicht nicht mit dem eigenen der armen Frau, aber jedenfalls mit dem Sterben.
    »Juliette.« Abrupt ließ Gabriel ihre Hände los, griff in die Tasche seiner Jeans und zog ein schmales goldenes Armband mit einer kunstvollen Inschrift hervor.
    Verwundert musterte sie das schöne Schmuckstück.
    »Nicht der erste Schmuck, den ich dir schenken wollte.« Entschuldigend zuckte er die Achseln, dann hielt er es ihr hin, und sie zögerte.
    »Was ist das?«
    »Eines der vier Armbänder, die meinen Brüdern und mir vor zweitausend Jahren anvertraut wurden. Es ist mehr oder weniger eine Waffe. Leg es nicht an, steck es einfach nur in deine Tasche. Es kann die übernatürlichen Fähigkeiten einer Person in ihrem Körper gefangen halten. Deshalb solltest du es stets bei dir tragen.« Er drückte Juliette das schmale goldene Band in die Hand und schloss ihre Finger darum. »Nur für alle Fälle.«
    »Okay.« Seufzend fügte sie sich in ein Schicksal, das ihr eine paranormale Attacke nach der anderen zumutete. »Ich kann jede Art von Hilfe gut gebrauchen.«
    Erleichtert, weil sie das Problem zu verstehen schien, nickte er. »Wenn du’s tragen willst, lässt es sich mühelos wieder abnehmen. Alles klar?«
    »Ja.«
    »Gut. Und jetzt musst du was essen, Babe. Ich habe einen Eintopf gekocht.«
    Ein paar Minuten später stellte er zwei dampfende Schüsseln auf den

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