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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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verzichten, schon gar nicht auf Kleider. Auch den Verbandskasten nahmen wir mit. Dazu ein paar Tetrapaks als Vorratsbehälter und vier leere Evianflaschen, die wir heil aus dem Müll geklaubt hatten. Sie waren besser zu transportieren als die Tetrapaks.
    Es war so weit.
    Ich hängte mir das Gewehr um, Felicité setzte De Vries’ Hut auf. Ze Zés Messer stieß sie sich nach kurzem Überlegen unter dem Bund ihrer Jeans durch den Stoff nach außen. Nicht gerade der Umgang damit, den ein mönchischer Koch in einem Zenkloster gutheißen würde, aber da hatte sie ja zuvor schon keine Hemmungen gezeigt. Die Anatomie ihrer Pobacke drückte die Klinge nach außen, sie folgte jeder ihrer Hüftbewegungen, es sah beeindruckend aus. Als sie durch die Tür nach draußen geklettert war, schob ich als Letztes den Affenschädel in meinen Rucksack. Das Ding hatte mich in seiner Gewalt. Ich traute ihm nicht über den Weg, hier draußen im Urwald schon gar nicht, ich wollte die Mächte nicht ärgern, für die er stand und an die ich glaubte und nicht glaubte. So gerüstet, kletterte ich hinaus.
    Obwohl ich meine Sonnenbrille aufgesetzt hatte, musste ich erst einmal den Kopf abwenden. Eine Breitseite aus Licht und Hitze traf mich, und ich verbrannte mir sofort die Hand, als ich mich auf dem Rumpf des Flugzeugs abstützte. Mit einem Aufschrei taumelte ich zurück. Die Frösche stoppten irritiert ihr Dauerkonzert.
    »Wir bleiben auf den Büscheln«, sagte Felicité, sie hatte sich zu mir umgewandt. »Und springen.«
    In ihren Chucks stand sie bis zu den Knöcheln im Wasser. Die Messerklinge an ihrem Hintern fing das Sonnenlicht und blitzte auf. Mein Gott, dachte ich, was wird das werden.
    Felicité sprang und landete mit beiden Beinen im Wasser. Sie kletterte auf das nächste Büschel hinauf.
    »Einen Stock«, rief sie. »Wir brauchen einen Stock.«
    Ich suchte, noch immer auf der Tragfläche stehend, die Umgebung ab. Sah in dem Haufen Blätter, den der Baum in der vergangenen Nacht auf uns herabgeschüttet hatte, ein paar Äste, darunter einen mannslangen Stecken, der noch am wenigsten morsch aussah, hangelte mich hinüber und zog ihn heraus. Ich wollte nicht an die Krankheitserreger denken, die hier im Brackwasser herumwimmelten und schon eine Ewigkeit darauf warteten, einen anständigen Wirt für ihre Nachkommenschaft zu finden. Wenigstens hatte ich meine Schnürstiefel an.
    Ich warf Felicité den Stock zu, sie fing ihn auf, sprang auf das nächste Büschel, sah sich nach mir um. Als ich ihr folgen wollte, wankte ich auf meiner Tragfläche erst einmal unter dem kombinierten Gewicht von Rucksack und Gewehr. Gerade noch konnte ich mich fangen, das heiße Blech fasste ich nicht mehr an. Ich starrte nach unten. Von dort, wo ich fast hineingefallen wäre, sahen mich aus der dunkelbraunen Brühe zwei Augen an. Ich erstarrte. Das gelbe Augenpaar hielt für zwei Schrecksekunden Blickkontakt mit mir, dann erschienen zwei mit Krallen bewehrte Vorderbeine und schoben das dazugehörende Tier zurück in die vorsintflutliche Dämmerung, in der es sein Leben zubrachte.
    »Da war was«, sagte ich mit heiserer Stimme.
    »Was?«
    Felicité war schon drei Büschel weiter. Ich musste vorwärtsschauen und entsprechend denken. So ging das nicht.
    »Eine Kröte oder ein Alligator«, sagte ich leichthin, als wären mir solche Begegnungen geläufig. Ich tat einen unsicheren Schritt Richtung Grasbüschel, verfehlte es und stand bis zu den Knien im Wasser. Ich überlegte, dass die Gefahr, Parasiten einzufangen, in erster Linie mit der Zeit zusammenhing, die man im Wasser verbrachte, und nicht mit der Wassertiefe. Besser, sich nicht mit Kunststücken aufzuhalten. Ohnehin war das Ufer, hinter dem die Bahnlinie liegen musste, nur hundert Meter entfernt.
    Wir platschten also beide darauf zu und kamen gut voran. Kein Krokodil, kein Riesenpython hielt uns auf, an meinen Füßen spürte ich nichts Verdächtiges. Noch ein paar Meter blieben uns bis zum Ufer, da fiel ein Schatten auf mich.
    Ich drehte mich um und starrte in die Augen eines enormen Adlers, er schwebte in höchstens zwei Metern Höhe hinter uns in der Luft. Eine Zehntelsekunde kreuzten sich unsere Blicke, dann lösten sich seine Jägeraugen von mir und hefteten sich auf Felicité. Mit gesträubtem Federkragen schoss er über sie hinweg und trieb sich mit klatschenden Flügelschlägen auf die Höhe der Wipfel, hinter denen er verschwand wie ein Spuk.
    »Was um Himmels willen war das?«
    Felicité atmete

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