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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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schwarze, die besonders wehtaten, kleine rote und eine gelbe Sorte, die in der Vertikalen an Bäumen verkehrte und deren Bisse Pusteln auf der Haut verursachten. Ich konnte keine der drei Sorten bestimmen. In Afrika gab es schätzungsweise zwei- bis dreihundert Ameisenarten.
    »Kannst du nicht irgendwas gegen die Ameisen unternehmen?«, fragte mich Felicité mit vorwurfsvoller Miene, während sie an ihrem Handgelenk saugte. Diesmal waren es die kleinen roten gewesen.
    »Ich wüsste nicht, was«, sagte ich. »Sie reagieren leider nicht auf Autan«, fügte ich hinzu.
    »Komm, wir haben genug Holz.« Sie lud sich die Äste in die Armbeuge. »Auf was reagieren sie überhaupt, außer auf uns?«
    »Sie geben Duftstoffe ab. Damit kommunizieren sie«, erklärte ich, während wir uns auf den vielleicht dreißig Meter langen Rückweg begaben, der unseren gegenwärtigen Aktionsradius ausmachte.
    »Erzähl mir was über sie. Ich weiß nicht viel über Ameisen.«
    »Wirklich? Es ist nicht so spannend, fürchte ich.«
    »Spannender, als nur rumzusitzen, allemal. Wie bist du überhaupt darauf gekommen, dich mit Ameisen zu befassen?«
    »Zunächst waren es Bienen«, erklärte ich, »zu den Ameisen kam ich erst später.«
    Wir kauerten vor unserer Dschungelhütte und spalteten mit Ze Zés Messer Äste zum Anfeuern. Über uns in den Bäumen trieben sich die unsichtbaren Vögel herum, sie juchzten oder knarrten wie eine Tür im Gruselfilm, ab und zu klatschten sie auch aufmunternd in die Flügel.
    Ich erzählte Felicité von den Sommerferien, die ich bei meinem Großvater an der Müritz verbringen durfte. Er lebte in einem alten Bauernhaus, wie ein Bär in Möbeln haust, so beschrieb es jedenfalls meine Mutter, seine Tochter. Ich erzählte Felicité, dass meine Eltern froh waren, wenn ich mal weg war, weil sie dann ungestört streiten konnten, und erzählte ihr von den Bienen, die ich in Opas sommerlichem Garten mit ihm zusammen versorgte. Von seiner stinkenden Bienenpfeife, von den tropfenden Waben in der Schleuder und vom Wunder des ausfliegenden Schwarms, der eines Tages an seiner rechten Hand gehangen hatte. Ein summender Klumpen aus aufgeregten Bienen, so groß wie ein Apfelkorb, die flink sich drehenden Leiber glänzten in der Sonne wie geschliffene Steine. Der ganze Klumpen an Opas Arm platzte vor Energie.
    Ich, zehn Jahre alt, stand fassungslos davor. Fragte, was das wäre. Ein neues Volk, sagte Opa und erklärte mir, dass in der Mitte, direkt auf seinem Handrücken, die junge Königin sitze, der sich alle anderen Bienen angeschlossen hätten, um den neuen Staat zu gründen. Ich erzählte Felicité, dass ich dann einen Kasten für das neue Bienenvolk gebaut hatte, in dem es wohnen sollte, und nach diesem Sommer fest entschlossen war, Imker zu werden. Im Winter darauf aber war Opa gestorben, und ich kam nicht mehr nach Mecklenburg, weil das alte Haus und der Garten mit den Bienen verkauft werden mussten. Bald darauf vergaß ich die Bienen und erinnerte mich erst wieder an sie, als ich während des Biologiestudiums nach einem Promotionsthema suchte. Weil es über Bienen schon mehr als genug Arbeiten gab, war ich zu den Ameisen gewechselt.
    »Was haben Ameisen mit Bienen zu tun?«
    »Sie bilden Staaten, genau wie Bienen.«
    »Aber sie haben keinen Honig, oder?«
    »Nein. Aber sie sind ebenfalls Nahrungsspezialisten, wie die Bienen. Jeder Insektenstaat braucht einen ständigen Nahrungszufluss, nicht anders als eine große Stadt. Manche Ameisen züchten Pilze in unterirdischen Kammern auf einem Kompostbrei, den sie aus Blattstücken zubereiten und mit Pilzsporen impfen. Sie bauen dafür eine Klimaanlage, damit die Temperatur konstant bleibt, und Straßen, die von Reinigungstrupps sauber gehalten werden, damit das Blattmaterial schnell in die Kammern kommt. Sie leben in Kolonien mit Millionen einzelner Insekten. Und sie führen Kriege um Ressourcen, bei denen Gefangene gemacht werden, die als Sklaven gehalten werden. Auch die Pilzplantagen werden gelegentlich von feindlichen Ameisen angegriffen und ausgeraubt. Es gibt Ameisenarten, die nur von der Sklaverei leben. Sie überfallen andere Arten, nehmen ihnen die Puppen weg und lassen sie für sich schuften, wenn sie geschlüpft sind, sie halten sie mit ihren Duftstoffen unter Kontrolle.«
    Felicité hörte sich das alles an. Ob sie sich dafür interessierte, war mir nicht klar. Ich kannte nicht viele Leute, die man damit begeistern hätte können. Also hörte ich an dieser Stelle auf.

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