Gabun - Roman
flache Hand. Wir kapierten nicht.
»L’homme porc?«, sagte er.
»Le sanglier«, half Felicité.
»Oui. Sanglier. Dangereux.«
M’bale riss den Mund auf und zeigte auf seine verbliebenen Eckzähne.
»Tué«, sagte er. Führte den abgespreizten Daumen gegen die Brust. »Tué. Très fort. Attention.«
Nach dieser Zusammenfassung einer Jagdgeschichte begaben wir uns in die Hütte und legten uns zu dritt schlafen. M’bale den Arm über seine Armbrust und seinen Tragebeutel gelegt. Der Hund hatte sich draußen neben dem Feuer niedergelassen. Er schien seinen Platz zu kennen. Diesmal war es fast gemütlich in der Hütte, von der wir annahmen, dass sie nicht schlecht gebaut war und vielleicht sogar dem nächsten Regen würde standhalten können. Felicité hatte sich im Schlaf an meinen Rücken geschmiegt. Schwesterlich. Auch ich schlief bald ein, obwohl ich noch immer heftigen Hunger verspürte.
Ich träumte von Lea. Sie hatte mir Stullen geschmiert, was sie im wirklichen Leben nie getan hätte, und ich träumte, dass ich die Brote zu Hause vergessen hatte. In meinem Traum kam ich nach dem Nachtdienst im Hotel in unsere Wohnung zurück, und Lea, die am Frühstückstisch saß, teilte mir mit, dass sie mit einem Mann, der seine Brote vergisst, nicht zusammenleben könne. Sie verlangte ihre Hausschlüssel zurück, ich gab sie ihr, und sie reichte mir die Stullen. Ich klappte sie auf und sah zu meinem Entsetzen, dass sie mit Schildkrötengedärm belegt waren.
An dieser Stelle wachte ich auf. Der Wald, der tagsüber so leer schien, war voller Umtriebe. Ich brauchte eine Weile, um zu wissen, wo ich war. Felicité lag dicht bei mir, ich spürte ihre Kuhlen und Kurven an meiner Rückseite und ihren warmen Atem an meinem Nacken. Wir lagen beieinander wie Liebende. Aber ich begehrte sie nicht.
Ich begriff, dass es so war, immer so gewesen war. Ich hatte mich nur nicht getraut, mir einzugestehen, dass ich sie nicht begehrte, obwohl sie doch so schön war. Nicht vor ihr hatte ich Angst gehabt, sondern vor mir selbst. Ich hatte einfach geglaubt, eine solche Frau müsse man als Mann begehren, und musste es nicht mehr.
Sie atmete ruhig und gleichmäßig. So wie M’bale, der mit uns die Hütte teilte, die er gebaut hatte. M’bale, der kleine Jäger, der uns nicht im Stich lassen würde, das war nicht seine Art. Ich fühlte eine kleine Welle der Zuversicht. Wir waren nicht verloren.
Am nächsten Morgen brachen wir auf. Zum Frühstück gab es noch einmal Honig auf die Finger. M’bale versicherte, wir würden unterwegs Essen begegnen, so drückte er sich jedenfalls aus: »Rencontrer le repas«.
Er nahm eine Marschroute, mit der wir nicht gerechnet hatten. Sie führte von Baum zu Baum. M’bale nutzte die Lücken, die in der Nähe der großen Bäume entstanden waren. In ihrem Umkreis, so erklärte ich es mir, war der knappe Nährstoff im Boden verbraucht und das Licht durch die Blattkronen abgesperrt, selbst die genügsamsten Urwaldpflanzen fanden dort nichts mehr, was sie verstoffwechseln konnten, um sich zu einem Dickicht zu formieren, und was noch wachsen konnte, war schwach, ließ sich beiseitedrücken. M’bale zwängte seinen kleinen, drahtigen Körper so flink durch das Unterholz, dass wir nie und nimmer hinterhergekommen wären, wenn er nicht ab und zu auf uns gewartet hätte. Fielen wir zu weit zurück, kam der Hund und guckte nach, ob wir noch da waren.
Nach einer Stunde merkte ich, dass meine Kräfte an ihrer Grenze angelangt waren. Ich blieb am Boden sitzen, ließ das bleischwere Gewehr und die Tasche auf den Boden fallen. Felicité hatte sich vor mir an einen Baumstamm gelehnt und schnappte nach Luft. Von ihren Waden hingen die Pflasterstreifen herunter, die Blutegelbisse hatten sich entzündet, waren zu kleinen Geschwüren geworden. Und ihre Chucks waren dabei, sich aufzulösen. Ohnehin war unsere Haut überall dort, wo sie nicht durch Kleider geschützt war, von Mückenstichen und Ameisenbissen übersät. Felicité tat einen langen Atemzug, der in einen Seufzer auslief, und ließ sich hinunter auf den Boden rutschen.
Der Hund kam zurück, um nachzusehen, und blieb bei uns stehen. In seinen gescheiten Augen glaubte ich, Verständnis erkennen zu können. Kurz darauf kam auch M’bale. Er sah uns da sitzen und lachte zahnlos. Schüttelte anschließend den Kopf, kapierte aber: Er musste sein Tempo drosseln.
Wir reichten ihm eine unserer noch gefüllten Wasserflaschen, aber er hob die Hand. Ging drei Schritte
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