Gabun - Roman
bestand in einem typischen Generationenkonflikt. M’bale blieb nämlich mit finsterer Miene zurück, während seine Tochter, deren Brüste spitz nach vorne standen, sich mit eleganten kleinen Schritten entfernte und, tatsächlich, sie tat es, leise vor sich hin sang. Setz dich zu unseren Gästen und unterhalte dich mit ihnen, hatte er vermutlich verlangt, und sie hatte zurückgezwitschert, dass sie das ätzend finde und lieber noch ein bisschen in ihrer Hütte weiterträumen wolle.
Felicité lächelte der kleinen Schönen hinterher, wandte sich dann an M’bale und fragte ihn, wo seine Frau wäre. M’bale schüttelte den Kopf.
»Mort. Tué.« Und sah an uns vorbei.
Dann zog er die Luft durch die Nase ein und teilte uns mit, wir brauchten jetzt eine Hütte. Richtig, die Grundregel, erinnerte ich mich. Die Hütte kommt immer zuerst. M’bale bestellte seinen Sohn her, der uns helfen sollte. Am Ende waren es alle Kinder, die uns halfen, unsere Hütte zu bauen, und es ging deshalb nicht so schnell wie sonst, weil jedes Kind – sie waren zwischen zwei und zehn Jahren alt, die kleinsten konnten gerade gehen – darauf bestand, dass wir nur von ihm das nächste Blatt oder den nächsten Ast annehmen sollten, und sich gegenseitig kreischend schubsten, um in unsere Nähe zu kommen. Aber auch auf diese Art wurde unsere Hütte schließlich fertig, und wir konnten nach unserem Einzug das Defilee der erwachsenen Dorfbewohner entgegennehmen, die alle unsere neue Heimstatt begutachten kamen und uns zu verstehen gaben, dass es eine gute Hütte war, dass sie sozusagen den hiesigen Bauvorschriften entsprach.
Eine alte Frau und ein junges Paar hielten sich abseits. Sie kamen auch nicht zu unserer Hütte. Felicité fragte M’bale nach ihnen. Ihr Kind sei gestorben, sagte er. Zwanzig Tage nach der Geburt. Man werde heute Abend die Totenfeier halten. M’bale setzte hinzu, er wolle uns bekannt machen: mit »Grand-mère«.
Die alte Frau, die bei dem jungen Paar saß, erhob sich und kam zu uns herüber. Sie hatte so gut wie nichts an. Bloß eine Schnur um die Hüften mit einem Tuch daran. Ihre Haut sah aus wie verstaubtes Leder, ihre Brüste waren flache Beutel, die auf ihrem Bauch hingen, und ihre Haare waren grau wie Stahlwolle. Aber ihre Augen gingen hellwach zwischen uns hin und her. Sie sagte nichts, blieb nur vor uns stehen, die Daumen auf seltsam kindliche Art vor dem Bauch ineinandergehakt. So stand sie da und sah Felicité an, mit einem Ausdruck, als träume sie. Niemand sprach, und niemand bewegte sich, es war wie ein Bann. Und es dauerte lange, minutenlang, so kam es mir jedenfalls vor. Viel zu lange. Ich spürte, wie Felicité neben mir zu zittern anfing. M’bale sah zu Boden, stand dabei wie ein Schuljunge, während der Lehrer jemanden an die Tafel gerufen hat, und ich begriff, dass die Alte, die träumend ins Leere zu starren schien, uns einer Prüfung unterzog. Plötzlich lösten sich ihre Hände voneinander, und sie berührte Felicités Arm mit den Fingerspitzen.
Felicité ließ mit erleichtertem Schluchzen die Luft aus den Lungen, sie war den Tränen nahe. Dann sah die Alte mich an. Ich war auf einiges gefasst, aber bei mir dauerte die Prüfung nicht lange. Die Alte nickte nach ein paar Sekunden, wandte sich ab und sagte etwas Rasches, entschieden Klingendes zu M’bale, er nickte ebenfalls. Ich war gekränkt. Anscheinend war ich nicht interessant genug, um auf Herz und Nieren geprüft zu werden.
M’bale lachte sein Lachen und brach den Bann. Sagte, wir sollten jetzt zu seiner Hütte kommen. Zur »Conférence«. Auf dem Weg dorthin meinte er, »Grand-mère« habe ihm eben mitgeteilt, dass das, was in meiner Hütte sei, ich wisse schon: »La tête«, in den Wald gebracht werden sollte, jedenfalls solange wir bei seinen Leuten wohnten. Es könne nicht im Dorf bleiben. Er werde mir nachher einen Platz dafür zeigen. Ich wunderte mich nicht darüber, ich war bereits vorgewarnt. Maka und so weiter.
Vor der Hütte M’bales trafen wir den Alten mit der vernarbten Schulter wieder. Bei ihm saß ein junger muskulöser Mann, der uns zur Begrüßung zunickte. Er hatte viele karoförmige Schmucknarben auf beiden Schultern und trug eine kurze blaue Sporthose. »Azik«, stellte M’bale ihn uns vor. Azik werde uns morgen zur Straße bringen.
Man begann mit der Besprechung. M’bale sagte Verschiedenes zu Azik, worauf Azik antwortete. Der Alte, den M’bale ’Ta genannt hatte, warf ab und zu ein paar besserwisserisch
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