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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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nicht aussprechen sollte, schon gar nicht, wenn er vor einem stand. Wahrscheinlich durfte man ihn auch nicht anstarren. Das Tier, das kein Tier war, antwortete nicht. Es maß mich mit seinen leuchtenden Augen, zwei nebeneinandergesetzten Einschusslöchern, die den glühenden Kern im Innern seines Schädels ahnen ließen. Maka schnaubte verärgert, zog die Oberlippe zurück, und zeigte mir seine langen Gorillazähne.
    »Wieso rufst du mich, du Idiot?«, fragte er.
    Seine Stimme klang gereizt. Sie erinnerte mich einen kurzen Moment lang an Lars Olson.
    »Ich habe dich nicht gerufen«, wagte ich zu widersprechen.
    Maka machte eine unwillige Bewegung mit einer seiner Pranken. »Das weiß ich ja wohl besser«, knurrte er.
    Er reckte die Schultern, setzte sich auf seinen Gorillahintern, die mächtigen Arme neben sich auf den Boden gestemmt, und fixierte mich.
    »Du wirst sterben«, stellte er fest. »Du gehst mir schon auf die Nerven, seitdem du hier bist.«
    Ich wagte nicht, etwas dazu anzumerken.
    »Willst du dir die Art aussuchen?« Maka schob seine dicken Gorillalippen nach vorn. »Hinter dir, zwanzig Meter entfernt, duckt sich gerade ein Leopard hinter einem Baum. Er beobachtet dich, er hat Hunger. Er könnte dich in zwei Sekunden kriegen. Er wirft dich um und zerknackt dir mit seinen Kiefern den Kopf, dann schlitzt er dich auf und frisst deine Eingeweide, solange sie noch warm sind. Den Rest holt er sich später, Stück für Stück. Oder möchtest du, dass es schneller geht? Einen Meter von dir entfernt liegt eine Grubenotter. Du kannst sie nicht sehen, sie versteckt sich unter vermoderten Blättern. Wenn sie dich beißt, spürst du bloß einen Stich am Knöchel. Eine Minute später kannst du nicht mehr atmen und nicht schreien, du erstickst innerhalb von drei Minuten. Oder wie wäre es mit dem Skorpion, der gerade zwischen deinen Füßen durchkrabbelt? Das dauert länger. Sein Gift ist nicht stark genug, um dich zu töten. Es lähmt dir nur für drei Tage die Beine. In dieser Zeit fressen dich die roten Ameisen, die kennst du ja bereits. Also?«
    Ich blieb stumm. Wenn ich schon sterben sollte, wollte ich mir die Art nicht auch noch aussuchen müssen.
    Maka maß mich verächtlich von oben bis unten. Seine Augen funkelten mich an, zwei glimmende Kohlen. Er schüttelte den behaarten Schädel mit dem aufgebundenen toten Menschengesicht, das dem Alten aus dem Wald im wahrsten Sinn des Wortes wie aus dem Gesicht geschnitten war.
    »Ich habe vergessen, dass du ein Weißer bist«, zischte Maka. »Wie konnte ich dir den Tod eines Jägers vorschlagen?« Er schüttelte seinen Gorillaschädel. »Der Tod im Wald ist zu schade für dich, ich erlaube ihn dir nicht«, entschied er. »Du wirst so sterben, wie ihr Weißen sterbt. Durch eine Kugel oder durch eine Bombe, vielleicht bekommen wir das hin. Aber wenn ich es mir recht überlege, dann möchte ich dich am liebsten in einem Bett sterben lassen. Alt und schwach, eine Zumutung für alle in deiner Umgebung, bloß noch ein Name auf einem Papier oder ein Datensatz auf einem Bildschirm. Das Letzte, was du siehst, werden die Displays auf euren beschissenen Maschinen sein, das Letzte, was du hörst, das Gepiepse eines Computers.«
    Maka erhob sich. Sein behaarter Körper wie ein Schatten, die glühenden Augen bohrten sich in mein Gesicht.
    »Bis dahin: Mach, dass du hier wegkommst. Hau ab aus meinem Wald.«
    Da schwanden mir die Sinne.
    Ich kam zurück ins Bewusstsein, als ich das Dach der Grashütte über mir sah, die ich, das fiel mir langsam wieder ein, mit Felicité bewohnte, in einem Pygmäendorf in den Wäldern des Ostkongo. An diesem Punkt angelangt, drehte ich meinen Kopf nach rechts, wo ich eine Bewegung wahrgenommen hatte. Felicité lagerte neben mir, den Kopf graziös auf die Arme gelegt. Sie sah mich an, mit den Augen einer ägyptischen Prinzessin, ohne einen Kommentar zu meiner Lage abzugeben.
    »Ich habe Maka gesehen«, krächzte ich.
    Felicité nickte. »Klar«, sagte sie. »Du warst stoned, mein Lieber. Ich hab dich gewarnt.«
    Ich fühlte mich nicht verstanden. Mein Kopf tat so weh.
    »Ich werde sterben«, hörte ich mich sagen mit einer Stimme wie ein Reibeisen. Die Heiserkeit verlieh meiner Stimme etwas Prophetisches, Unumstößliches, vor dem ich selbst erschrak.
    »Unsinn«, sagte Felicité. »Du wirst in einer halben Stunde mit mir und Azik zusammen zur Straße aufbrechen. Ich habe schon alles gepackt.«
    Ich stöhnte leise. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte

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