Gabun - Roman
auch verschwinden.
M’bale half mir aufzustehen. Sein wüstes, verzerrtes Gesicht kam mir ganz nahe, das Gesicht eines bösartigen Kannibalen, der die Hände und Füße von Affen aß. Ich roch seinen fauligen Mundgeruch, und mir wurde sehr übel. Felicité sagte gerade etwas an meinem Ohr, ich konnte es nicht verstehen, es klang wie Jodeln. M’bale redete dazwischen, seine Stimme hatte sich in Blechplatten verwandelt, die dröhnend gegeneinanderschlugen. Alles war viel zu laut. In meinen Ohren donnerte es wie Gewitter. Ich winkte ab. Ich brauchte Ruhe.
»Schlafen«, versuchte ich zu sagen. Aber meine Zunge war sehr schwer. So schwer wie ein Krokodil und auch so groß. Sie lag in meinem Mund, festgefahren in einem Bett aus Schlick, und rührte sich nicht mehr. Weg hier. Nur fort, dachte ich. Ich stolperte durch die Nacht. Meine Beine wollten mir nicht gehorchen, aber ich wollte weggehen, weit weg.
Dann, plötzlich, war ich ganz allein.
M’bale war fort und Felicité auch. Sie hatten mich in den Wald geführt und mich dort gelassen. Ich befand mich an dem Ort, wo wir den Affenschädel versteckt hatten, am Fuß eines besonderen Baumes und von bestimmten Blättern bedeckt. Es war die Stelle, ich fühlte es, ich spürte seine Anwesenheit, er zog an mir wie ein Magnet. Um mich ließen winzige Frösche ihre Kaugummiblasen platzen, ich sah es in der Finsternis, kleine blaue Lichter gingen ständig an und aus, die unterschiedlichsten Kerbtiere knarrten wollüstig mit ihren Extremitäten. Sie freuten sich, dass ich sie besuchen kam in ihrem Zwergenreich. Ich würde es vielleicht nicht mehr verlassen, schwante mir.
Satte Dunkelheit umgab mich, die kleinen blauen Blasen erhellten den Urwald nicht. Ich fühlte die Nähe harter, glänzender Blätter und wuchernder Äste, sie schienen hier schneller als sonst zu wachsen. Lianen, Farne und Urwaldriesen rückten raschelnd um mich zusammen, mir war plötzlich klar, dass Pflanzen selbstverständlich ihren Standort wechseln konnten, wenn sie es wirklich wollten, ich fragte mich, weshalb ich das nicht früher schon gewusst hatte. Sehen konnte ich nichts. Ich begriff, ich war verloren. Meine einzige Chance bestand darin, hierzubleiben und zu hoffen, dass mich jemand finden würde. Ich ließ mich vorsichtig auf dem Boden nieder. Zwischen Skorpionen, Giftschlangen, Wolfsspinnen, die, wie ich wusste, alle nachts jagten und meine Körperwärme mit ihren Infrarotsensoren orten konnten.
Mir war schwindlig. Ich stützte meinen Kopf in die Hände, eine ganze Weile. Versuchte, etwas gegen die sausende Drehung der Erde zu unternehmen, die ich jetzt wahrnehmen konnte, und fragte mich, wie ich es früher eigentlich hinbekommen hatte, auf ihr zu stehen, sie drehte sich ja ständig. Im Erstaunen hob ich meinen Kopf, und da sah ich das Licht. Ich sah ein fahles, schwankendes Licht wie von einer schwachen Laterne herrührend, das sich durch den Wald bewegte. Es verlor sich zwischen Blättern und Zweigen, erschien wieder und verschwand hinter einem Baumstamm. Tauchte wieder auf, näher jetzt, es kam näher, kam in meine Richtung. Die nächtlichen Geräusche legten an Lautstärke zu, Ouvertüre für ein Schauspiel, das ich schon ahnte: Ich bekam Besuch. Die Furcht heftete meinen Magen mit Klammern an die übrigen Eingeweide, denn ich erkannte inzwischen, dass das Licht von einer Gestalt ausging, deren Umrisse verrieten, dass sie kein Mensch war. Sie schien das Licht am Kopf zu tragen, eine Art Stirnlampe. Die Gestalt verschwand hinter einem Urwaldriesen und kam auf der anderen Seite zum Vorschein, nur noch fünf Meter entfernt. Eis breitete sich aus in meinem Leib. Ein Affe, groß wie ein Gorilla, und er hatte keine Laterne auf dem Kopf, das fahle Leuchten drang aus seinen leeren Augenhöhlen. Es war Maka. Ich musste sterben.
Maka kam auf mich zu, seine leuchtenden Augen richteten sich auf mich, und ich sah, dass der Affe eine Maske aus grauer Menschenhaut vor dem Gesicht trug. Das tote Gesicht ähnelte auf fatale Weise dem alten Waldschrat, der mir den Affenschädel geschenkt hatte, das Geistwesen hatte sich sein totes Gesicht übergestreift wie eine Larve. Das Glühen seines Blicks drang durch die leeren Augenlöcher der Maske hindurch. Seine Hände waren groß wie Schaufeln, ein langer schwarzer Penis baumelte zwischen seinen Beinen, dahinter, wie eine doppelte Geschwulst, zwei winzige Hoden.
»Du bist Maka«, sagte ich leise. Meine Lippen bebten.
Ich hatte vergessen, dass man seinen Namen
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