Gabun - Roman
eingesetzt hatte. Ich nahm einen Löffel und sperrte beim Kauen meinen Gaumen, um den Luftstrom zur Nase auszuschalten. Trotzdem drang der muffige Geschmack an meine Riechnerven, es schmeckte, als habe man schwarze Bohnen zerstampft und mit Gips angerührt. Ohne Zweifel enthielt auch diese Nahrung Nährstoffe. Ich nahm einen zweiten Löffel und versuchte, das Zeug runterzuschlucken. Dabei achtete ich nicht auf Sumire, die neben mir stand und mich beobachtete.
»Oh Bernd!«, lachte sie los. Sie platzte fast vor Vergnügen, rollte die Augen. »Du bist so tapfer. Mann, bist du tapfer.«
Dann griff sie in die Tasche und zog ein paar bunt eingepackte Riegel heraus.
»Hier«, sagte sie und präsentierte mir zwei davon.
Meine Augen wurden ganz von selber groß. Es waren Mr.-Tom’s-Erdnussriegel, die kannte ich schon seit meiner Kindheit. Schwimmbad, Schulausflug, Fußballspiel. Vielleicht der einzige Riegel auf der Welt, der vierzig Grad Wärme überstehen kann.
»Danke!«
Mehr brachte ich nicht heraus. Die Riegel waren eine Offenbarung. Erdnüsse und Zuckersirup. Mein Körper lechzte danach. Ich mampfte mit vollen Backen.
»Morgen fahren wir nach Sambia und durch ein paar Städte«, sagte Sumire. »Da gibt’s vielleicht was für dich.«
Sie hatte die Tupperbox wieder auf das gelochte Blech des Radkastens gestellt und aß einen Löffel nach dem anderen von der ekelhaften Paste.
»Was isst du eigentlich für Sachen?« Sumire kaute. Nahm noch einen Löffel. »Kartoffeln. Huhn, Rindfleisch. Bestimmt Nudeln, oder? Wie die Chinamänner. Gibt’s hier alles nicht. Doch, Huhn, das gibt’s manchmal. Kostet vier- bis fünftausend Kongo, eines. Oder du klaust es. Hast du gesehen, wie schnell die Hühner hier sind?«
Hühner, dachte ich. Und hakte meine Assoziationskette rasch wieder auseinander. Sumire löffelte weiter, sah sich um. Insekten umsummten uns mit Absichten, ein paar tagaktive Grillen gaben Tonproben ab.
»Nachher gehen wir uns mal waschen«, sagte sie. Ich bekam noch einen Blick ab. »Du stinkst.«
Es stellte sich heraus, dass Sumire sich nicht nur waschen, sondern auch baden wollte. Sie holte ein Handtuch und ein Stück Seife aus der Kabine und drückte mir die Sachen in die Hand.
»Du kannst mitkommen«, sagte sie.
Wir gingen zum Fluss hinunter. Wichen den Büschen am Ufer aus, sie besaßen Äste, so gefährlich wie ein Stacheldrahtverhau. Schließlich standen wir vor der braunen Brühe, die sich träge voranbewegte. Der Fluss füllte die Rinne, die aus getrocknetem Schlamm bestand, bloß noch zu einem Viertel aus. Das ideale Habitat für so ziemlich alle wasserbewohnenden Parasiten.
»Es könnte«, sagte ich, »gefährlich sein, hier ins Wasser zu gehen.«
»Quatsch«, sagte Sumire. »Das Wasser hier ist okay.«
»Wegen Bilharziose zum Beispiel«, wagte ich einzuwenden.
»Das denkst du«, sagte Sumire. »Du willst dich nicht waschen.«
Sie band die Ledermanschette auf, mit der ihr Haken am Arm befestigt war. Zog den Armstumpf heraus und gab mir die Manschette.
»Ich zuerst. Dreh dich solange um«, sagte sie.
Die speckige Manschette mit dem blank polierten Haken fühlte sich erstaunlich leicht an. Nicht schwerer als ein Damenschuh. Ich drehte sie in der Hand. »Jesus loves you« hatte jemand mit Kugelschreiber darauf geschrieben, nicht weit davon stand »Fuck you bitch«. Dazu eine Menge Blümchen und Strichzeichnungen, die mich an Höhlenmalereien erinnerten, Menschen, Ziegen und Hühner. Zwei Giraffen. Eine Menge Namen. Andere Aufschriften, die ich nicht entziffern konnte, französische und fremdländische. Eine Art Poesiealbum. Hinter mir hörte ich Sumire im Wasser planschen.
»Klasse«, prustete sie. »Das Wasser ist klasse.«
Ich fühlte mich eingeladen, mich umzuwenden. Ihr runder Kopf und ihre schmalen Schultern ragten aus dem schlammigen Wasser. Sie lachte mit weiß blitzenden Zähnen, schwenkte den Armstumpf.
»Komm rein.«
Ich legte die Ledermanschette auf den Boden und zog mich aus. Mir war etwas klamm, zum einen weil Sumire mir ungeniert zusah, während sie im Wasser herumruderte, zum anderen weil ich mit dem Thema Bilharziose noch nicht abgeschlossen hatte. Immerhin wies das Wasser etwas Strömung auf, Bilharzien lebten meines Wissens in stehenden Gewässern. Als ich mich, mit dem Rücken zu Sumire, ausgezogen hatte, musste ich mich schließlich umdrehen, um ins Wasser zu kommen.
»Gibt’s hier keine Krokodile?«, fragte ich.
»Ha«, sagte Sumire, während sie mich ohne
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