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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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die Hand danach aus. »Ich bin Biologe. Deswegen, verstehst du. Der stammt von einer seltenen Affenart, den wollte ich haben. Ich hab ihn gekauft, und ich möchte nicht, dass er verloren geht.«
    »Da ist was drin«, sagte sie. Sie schüttelte den Schädel.
    »Ein paar lose Knochen wahrscheinlich«, sagte ich. »Zu Hause muss ich ihn fertig präparieren.«
    Endlich reagierte sie auf meine ausgestreckte Hand und reichte ihn mir nach oben. Sie sah mich an, mit einem gewissen Blick.
    »Du hast komische Interessen, Bernd. Du solltest dir das abgewöhnen, du bist doch sonst ganz normal.« Sie kicherte. »Jedenfalls das, was ich heute bei dir gesehen habe, das war ganz normal.«
    Ich verzichtete auf eine Antwort, zog die Vorhänge zu und legte mich in die Kabine.
    Während wir in der Lastwagenschlange vorrückten, konnte ich nichts sehen. Ich hörte nur das Radio im Führerhaus, in dem jemand endlose aufgekratzte Tiraden in englischer Sprache von sich gab, ehe wieder Musik zu hören war, und ich roch die Zigaretten, die Sumire rauchte, während wir Wagenlänge für Wagenlänge weiterkamen. Zweimal hörte ich, wie sie eine Dose aufknackte. Einmal reichte sie mir einen Lipton Ice Tea durch den Vorhang herein.
    Längst war es dunkel geworden. Man hörte Türen klappen, Motoren anlaufen, Räder rollen, ab und zu lamentierte jemand draußen. Nach etwa zwei Stunden waren wir an der Reihe.
    Als die Tür zuschlug und Sumire ausgestiegen war, bekam ich Angst. Ich stellte mir vor, was passieren könnte. Dass jemand die Vorhänge aufriss, sich eine Gewehrmündung auf mich richtete, dass man mich herausholte, dass ich von genervten Typen verhört wurde, die an meinem Wohlergehen nicht mehr interessiert waren als an dem eines Moskitos. Ich sah die Blechtür einer Gefängniszelle sich hinter mir schließen mit einem Pisspott in der Ecke, sah mich bei vierzig Grad im Schatten auf einer Pritsche sitzen. Kurz, ich beschwor Ereignisse, die mein Geschick vielleicht noch für mich bereithalten mochte, durchlitt schon mal, was dann hoffentlich doch nicht passieren würde. Früher opferte man ein Lamm, ich opfere in solchen Situationen meine Ruhe.
    Sumire kam irgendwann zurück, stieg ein, ließ den Motor an. »Alles okay. Ich sag dir, wenn du runterkommen kannst.«
    Als ich wieder auf den Beifahrersitz geklettert war, ein paar Kilometer weiter, sagte Sumire, ich sollte die nächste Schicht übernehmen. Die Straße wäre ab jetzt gut.
    Unter einem von Sternen übersäten Himmel wechselten wir die Plätze, das Konzert der Zikaden klang dazu aus der Dunkelheit herüber. Die Straße war asphaltiert, das hatten wir lange nicht gehabt.
    »Links«, sagte Sumire, als ich am Steuer saß. »Hier ist Linksverkehr, okay?«
    Ich nickte, als wäre mir das egal. Es war auch ziemlich gleichgültig, weil die Straße kaum Platz für zwei Lastwagen nebeneinander aufwies, aber beim Ausweichen war es gut, das zu wissen.
    Ich fuhr los. Auf Asphalt hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich ein Automobil bewegte, nicht einen Panzer.
    »Wieso heißt du eigentlich Sumire?«, wollte ich wissen, schaltete Gang für Gang hoch und verfolgte den wandernden Lichtfleck, den die Scheinwerfer auf die Straße hefteten. »Das ist doch nicht afrikanisch, Sumire, oder?« Ich erinnerte mich daran, wie die Chinesen gelacht hatten, als ich den Namen erwähnt hatte.
    »Japanisch«, sagte Sumire. »Es ist japanisch. Es heißt: Veilchen.«
    »Aha«, sagte ich.
    Wieder hatte ich es mir nicht verkneifen können. Einfach zu dumm mit meinem blöden »Aha«. Aber Sumire reagierte nicht darauf. Sie kramte unter dem Armaturenbrett nach ihren Zigaretten, klopfte zwei aus der Packung und gab mir eine. Als der Zigarettenanzünder brannte, zündete sie ihre an und gab mir den Anzünder herüber.
    »Als ich Soldat war«, sagte sie, »durften wir fernsehen. Sie haben uns oft vor ein Fernsehgerät gesetzt. Die Kleinen konnten sonst nicht schlafen. Und da haben wir uns am liebsten Mangas angesehen. Die kamen aus Sansibar, die Saudis waren damals verrückt nach Mangas. Weißt du, was Mangas sind?«
    »Sicher«, sagte ich. »Japanische Comics.«
    »Ja. Bei denen geht es immer ums Kämpfen. Sie kämpfen für ihre Ehre und für ihre Familie, und sie halten zusammen. Wir haben die Mangas gerne angeschaut und haben uns daraus Namen gegeben. Ich und meine Leute. Wir waren zu viert, und wir sind immer zusammengeblieben, wenn wir gekämpft haben. Wir haben uns den Rücken freigehalten und unsere Munition

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