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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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der Feind, die Teufel, die Motherfucker und so weiter. Kannst du dir aussuchen. Wir hatten keine Patronen mehr, wir mussten uns ergeben. Sie haben uns nicht erschossen. Für so was nehmen sie die Machete, das spart Munition. Sie haben uns zu einem Haufen zusammengetrieben, ich kriegte gleich am Anfang eins ins Gesicht. Hier.«
    Sie wies mit dem Haken auf ihre gespaltene linke Braue.
    »Ich hab dann meinen Arm hochgehalten. Da war die Hand ab. Ich fiel auf den Boden. Die anderen fielen auf mich drauf. Sie haben einfach auf den Haufen eingehackt, bis sich nichts mehr rührte. Da war nur noch Blut und abgeschlagene Glieder. Ich habe mich nicht bewegt, und sie haben mich übersehen, weil noch zwei ältere Mädchen da waren, die haben sie abgelenkt. Sie wollten sie erst vergewaltigen, bevor sie sie umgebracht haben.«
    Die Sonne stand hoch am Himmel. Das Licht spiegelte unerträglich hell auf der himmelblau lackierten Motorhaube. Ich schloss die Augen.
    »Wie«, sagte ich nach einer Weile, »bist du da herausgekommen?«
    »Ich habe mir auf die Schlagader gebissen, damit ich nicht verblute, und hab mich nicht gerührt, bis sie fortgegangen sind. Es wurde Nacht, nach einer Stunde oder zwei. Dann habe ich mir den Arm abgebunden und konnte abhauen. So war das.«
    Der Dieselmotor brummte und schüttelte das heiße Blech, in dem wir saßen. Sumire schaute zu mir herüber. Das Kühle in ihrem Blick war weg.
    »Mutter Maria«, sagte sie, mit einer Bewegung ihres Kinns wies sie auf die Postkarte am Armaturenbrett, der Rosenkranz darüber gehängt. »Mutter Maria hilft. Hat mir damals geholfen. Hilft mir auch jetzt.«
    »Hast du keine Angst? Wenn du hier tagelang alleine fährst?«
    Sumire hob den Haken ins Licht. Drehte ihren Arm mit der Ledermanschette daran hin und her.
    »Die Männer haben Angst vor dem da. Die rühren mich nicht an, wenn sie das sehen. Kriegen ihren Schwanz nicht hoch.« Sie kicherte vor sich hin. »Und das Zeug dahinten, das kann man nicht klauen. Und sonst gibt’s bei mir bloß ein paar Sixpacks mit Cola oder Bier, ich hab kaum Geld im Auto. Lasse ich an den Tankstellen, die ich kenne. Besser als eine Bank.«
    Sumire hakte ihre Linke ins Lenkrad ein und drehte am Knopf des Radios.
    »Bernd«, sagte sie, »such mal Musik.«
    Gegen Mittag wurde die Gegend grüner. Am Himmel bauten sich enorme Wolkentürme auf, man konnte ihnen dabei zusehen, wie sie in die Höhe wuchsen. Das hatte ich schon einmal erlebt, es konnte ein heftiges Gewitter daraus werden, wie ich inzwischen wusste. Aber die Türme zergingen wieder und lösten sich auf, als hätten sie nicht die Kraft, die Sonne erfolgreich zu belagern, und bald stand sie wieder glühend und frei am Himmel.
    Wir hörten beim Fahren die pfeifend einschläfernde Musik, die ich bereits kannte. Nach einer Weile nickte ich tatsächlich ein. Ich hatte wohl eine ganze Weile geschlafen und erwachte erst, als der Lastwagen bremste und hielt. Wir standen in einer Senke. Ein fast ausgetrocknetes Flussbett, in dem bloß noch ein paar Wasserpfützen zu sehen waren. Mückenwolken wehten wie Rauchsignale darüber.
    »Zeit zum Essen«, sagte Sumire.
    Die Senke war von Buschland umgeben, in dem der Bewuchs niedrig war, vom Beifahrersitz aus konnte ich darüber hinwegsehen. Ich sah flache Hügel, alle mit Büschen bewachsen, ab und zu ragte ein größerer Baum daraus hervor. Ein Stück unterhalb der Straße lag der Fluss. Man sah ein Stück braunes Wasser, das sich nicht zu bewegen schien. Dichtes Gestrüpp säumte die Uferböschung. Die Sonne stand im Westen, sie stach durch das Fenster herein. Mein Hemd war nass von Schweiß.
    Sumire war ausgestiegen, sie werkelte auf der Fahrerseite, ich hörte etwas klappern. Ich stieg ebenfalls aus und ging um den Lastwagen herum, dabei hütete ich mich, das blau lackierte Blech zu berühren, es strahlte Hitze ab wie eine Pfanne auf dem Herd. Sumire stand im Schatten der offenen Tür. Sie hatte eine Tupperschale auf den Tritt der Fahrerseite gestellt, eine dunkelbraune Masse befand sich darin.
    »Ich hab nur einen Löffel«, sagte sie und wies auf die Schale. »Du kannst anfangen.«
    Ich hatte Hunger. Aber auch Erfahrung mit afrikanischem Essen.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Funje«, sagte Sumire und ergänzte auf meinen fragenden Blick hin: »Maniokpaste. Das ist gut.«
    Nach dieser Bewertung war es nicht mehr möglich, sich heikel zu geben. Ich wandte die Technik an, die ich schon bei M’bale und seiner Schildkrötenmahlzeit erfolgreich

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