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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Bei anderen Tieren ist es weniger deutlich. Bei denen, die man die ›höheren Tiere‹ nennt. Nimm mal zum Beispiel deine Schimpansen.«
    »Meine Schimpansen?«
    »Na ja, deine Forschungsobjekte, die Primaten, die Menschenaffen, die im Urwald leben.«
    »Was ist mit denen? Haben die auch keine Moral?«
    »Keine Ahnung. Wenn ja, worin besteht die, was denkst du?«
    »Ich würde sagen: Rette deinen Arsch. Das ist ihre Moral.«
    »Und wenn sie angegriffen werden?«
    »Dann hauen sie ab.«
    »Sie haben einfach zu viele Möglichkeiten, zu viel Verstand, oder? Jeder denkt, er kommt noch davon.«
    »Vielleicht. Sie sind ziemlich anarchisch. Ich glaube, im Urwald lebt man einfach sehr entspannt, wenn man ein Affe ist. Ab und zu wird einer umgebracht, ein Leopard holt ihn vom Ast oder ein Affenadler. Zack, weg ist er, die anderen haben das schnell vergessen. Draußen in der Savanne übrigens, wo die Paviane leben und wo sich ja später auch unsere Vorfahren herumgetrieben haben, dort ist es anders.«
    »Nämlich wie?«
    »Wenn ein Leopard sich an eine Pavianhorde anschleicht, und die Paviane merken es, dann bilden ein paar junge Männchen eine Gang und greifen ihn an. Sie bringen ihn um.« Farouk reichte mir die schon ziemlich leere Weinflasche herüber. »Stell dir einen Kampfhund mit den Armen eines Ringers vor, dann hast du ein Pavianmännchen. Der Leopard stirbt, aber er stirbt nicht allein, er nimmt ein paar von ihnen mit.«
    »Was denkst du, wieso tun sie das? Etwa um die Gene ihres Clans zu retten?« Der Wein war gut, ich trank die Flasche vollends aus.
    Farouk nahm sie mir aus der Hand, drehte mit vorwurfsvoller Miene demonstrativ den Hals nach unten.
    »Quatsch. Weil sie ihre Eier behalten wollen«, sagte er. »Das glaube ich. Also, wenn man das genetisch erklären müsste, käme man sich ziemlich bescheuert vor. Man sollte nicht alles so rational sehen.«
    Farouk zerrte seinen Schlafsack zu sich her, leuchtete ihn sorgfältig ab und entrollte ihn auf der Matratze aus aufgeschichteten Zweigen.
    »Lass uns mal schlafen gehen, Bernd. Morgen ist auch noch ein Tag.«
    Am Boden entdeckte ich noch ein halbes Dutzend unverdächtig aussehender Ameisen, die vor dem Licht meiner Lampe zurück in die Dunkelheit flüchteten. Ich war beruhigt und legte mich neben Farouk zum Schlafen nieder.
    Ich verfiel in einen Halbschlaf, durchzogen von Dschungelgeräuschen, die ohne Anfang und Ende waren, und versuchte mir vorzustellen, dass die Geräusche einfach nur Leben signalisierten. Dass die Millionen Wesen draußen bloß vor sich hin werkelten und nichts gegen mich persönlich unternehmen wollten. Von diesem friedlichen Bild ermüdet, schlief ich irgendwann ein und träumte. Ich träumte von einem Tier, das durch den nächtlichen Wald stampfte, von einem großen, dunklen, aggressiven Tier, es ragte hoch bis zu den Wipfeln der Urwaldbäume, der Mond schien durch die Lücken im Laubdach und beschien die Schuppen auf seinem enormen Echsenkopf. Als ich begriff, dass es sich um einen Tyrannosaurus handelte, und zwar exakt um denjenigen, der in »Jurassic Park« eine Hauptrolle spielt, erinnerte ich mich – ebenfalls im Traum – daran, dass man sich in solch einer Situation keinesfalls bewegen darf, und bewegte mich nicht. Davon erwachte ich, und noch immer brach etwas geräuschvoll durchs Unterholz, dicht neben der Hütte. Ich bewegte mich und packte Farouk am Arm.
    »Hörst du das?«
    »Klar höre ich das, ich bin ja nicht taub.«
    Mit meiner freien Hand tastete ich nach der Taschenlampe. »Was ist das?«
    »Woher soll ich das wissen? Irgendein Tier.«
    Ich starrte in Farouks Richtung, ohne ihn zu sehen, es war stockfinster in der Hütte. Farouk war offensichtlich nicht zurechnungsfähig, abgestumpft oder betrunken. Ich war auf mich allein gestellt. Ich suchte mit beiden Händen nach meiner Lampe, dabei rollte ich von der Matratze aus Zweigen herunter gegen die Blätterwand der Hütte und brachte sie fast zum Einsturz. Farouk griff nach meinem Arm und hielt ihn eine Weile fest. Sein Griff fühlte sich kräftig an.
    »Entspann dich«, sagte er. »Schlaf weiter.«
    Er ließ meinen Arm wieder los und drehte sich auf die andere Seite hinüber. »Das ist ein kleines Tier«, sagte er. »So groß wie eine Ratte vielleicht. Und wahrscheinlich ist es auch eine. Reg dich nicht auf.«
    Am nächsten Tag frühstückten wir ein paar Energieriegel und tranken dazu etwas von dem rationierten Mineralwasser. Kurz darauf trafen, begleitet von Fox und

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