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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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ebenso weißen Hemden der beiden Männer. Ein Trio, das auch in Leas Hotel Punkte gemacht hätte, man hätte den dreien sicher einen der Tische gegeben, die dicht an den Glasfenstern zur Straße standen.
    Im Vorübergehen hörte ich Saffkin russische Brocken reden, verstand das Wort »Astrachan«. Hörte De Vries und Saffkin verschwörerisch lachen, roch das Parfum von Felicité. Frau Dr.   Decker bekam von mir ihren Salat aus Zucchini in feinen Juliennestreifen mit Frühlingszwiebeln und Avocadowürfeln serviert, Ze Zé hatte sich Mühe gegeben. Ich drehte ihn, bis er richtig stand.
    Dann war ich fertig und setzte mich auf meinen Platz.
    »Ich dachte, Ebola wäre eine Krankheit, die nur Menschen bekommen«, sagte ich zu der Ärztin.
    »Bushmeat«, antwortete sie gleichmütig, während sie mit der Gabel in ihren Reptilienfingern das Gemüse sortierte. »Davon kommt es. Ebola ist eine der Krankheiten, die man vermeiden könnte.«
    »Was ist Bushmeat? Klingt wie ein Gericht.«
    Das Perlhuhn, fand ich, war ausgezeichnet, sehr zart. Das Morchelaroma passte wunderbar zu dem grob geschroteten weißen Pfeffer.
    »Es ist kein Gericht«, sagte Frau Dr.   Decker. »Es ist das Fleisch von abgeknallten Dschungeltieren, hauptsächlich von Affen. Ein Nebengeschäft beim Abholzen der Wälder. Die Holzfällertrupps sind bewaffnet. Sie schießen auf alles, was sie sehen, und hacken es dann mit der Machete klein. Das essen sie selbst und verkaufen es in den Dörfern. Das Fleisch ist ein idealer Nährboden für den Virus, und der infiziert eben am liebsten Affen und Menschen. Die Leute in den Dörfern reißen den Holzfällern das Fleisch aus der Hand. Sie dürfen nicht auf die Jagd, und sie können auch nicht zum Metzger gehen.«
    Ich nahm einen Perlhuhnflügel, sah ihn einen Augenblick lang an und legte ihn langsam wieder auf den Teller zurück. Mir war flau geworden.
    »Einen Toast auf den Koch«, sagte De Vries gerade uns gegenüber.
    Saffkin und Felicité hoben ihre Gläser. Saffkin hätte gut zu Felicité gepasst. Sein Anzug war bestimmt auf Maß gemacht, er bewegte sich sicher und gelassen. An seinem Handgelenk glänzte unter der Manschette eine goldene Uhr. Lea hatte mir einmal erklärt, dass ein erfahrener Rezeptionist an der Armbanduhr den Stil eines Gastes einschätzen könne: bloß protzig oder wirklich elegant. Vielleicht deshalb, weil man an der Rezeption die Schuhe nicht sehen konnte. Auch diese Lektion hatte ich wie so manche nicht vollständig gelernt, jedenfalls sah das, was an Saffkins Handgelenk glitzerte, als er sein Sektglas erhoben hielt, eher protzig als elegant aus.
    »Sie haben in Afrika gearbeitet?«, fuhr ich in meiner Konversation mit Frau Dr.   Decker fort. Ich wollte nichts mehr von verseuchtem Fleisch hören. Die vier gerupften Perlhühner, nackt und sehr tot aussehend, waren mir wieder vor Augen gekommen.
    »Ich war im Sudan«, sagte sie. »Für Ärzte ohne Grenzen. In Darfur.«
    »War das interessant?«
    »Wie man’s nimmt«, sagte sie. »Wir haben es mit knapper Not überlebt. Das letzte Flugzeug kam nicht mehr durch. Wir saßen im vorletzten.«
    Jetzt wäre es mir fast lieber gewesen, sie würde wieder vom Essen reden. Sie lächelte, als habe sie meine Gedanken erraten, und sagte:
    »Lassen wir das. Das gehört nicht hierher. Aber dort habe ich etwas gesehen, was ich nicht vergessen werde. Ich erzähle es Ihnen.«
    Ich war auf alles gefasst.
    »Ich habe einen Tankwagen gesehen, der durch die Flüchtlingslager fuhr. Ein alter Lastwagen, so marode, dass er gerade noch von der Stelle kam. In Europa hätte man so etwas nicht mehr auf die Straße gelassen. Der Tankwagen tuckerte langsam durch das Lager, alle hundert Meter blieb er stehen. Da standen schon Dutzende von Kindern mit ihren Schüsseln. Der Fahrer, ein alter Mann, stieg aus und öffnete das Ventil am Tank, um ihnen Hirsebrei in die Schüsseln zu füllen. Dann fuhr er hundert Meter weiter zur nächsten Kindergruppe und hielt wieder an.« Sie lächelte. »Diesen Mann, Herr Jesper, habe ich mehr beneidet als die meisten Menschen, die mir in meinem Leben begegnet sind, und das waren weiß Gott nicht wenig.«
    Ich schaute auf meinen Teller. Auf den Perlhuhnflügel, die kleinen Morchelhälften daneben in einem Klecks dunkelbrauner Sauce, im Kreis angerichtet das Karottenhäufchen und die Juliennestreifchen aus Zucchini, farblich passend aufeinander abgestimmt.
    »Ich weiß nicht, ob ich Sie das fragen darf«, sagte ich. »Wieso sind Sie eigentlich

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