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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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korallenrote Libellen wippten. Ab und zu klatschte etwas ins Wasser, wahrscheinlich Frösche, die Seerosenblätter als Terrassen nutzten. Die Sonne brütete auf dem Wasser. Wir hielten uns nach Möglichkeit im Schatten der Uferbäume. Über der Wasserfläche lag das beständige Summen fliegender Insekten, das herausfordernde Keckern der Frösche und das Orchester der Zikaden, es klang, als bräche man ständig Dutzende von Bambusstäben ab.
    Eindrucksvoller aber war die Stille unter der Wasseroberfläche. Man ahnte sie, wenn das Paddel eintauchte. Eine gehaltvolle Stille, wie ich wusste. Ich rechnete zwar nicht mit einem Krokodil, das einen fünf Meter langen Kanadier angreifen würde, aber ich fürchtete mich davor zu kentern. Dann, war ich mir sicher, würden sämtliche Organismen, die geduldig unter uns lauerten, angefangen von wimmelnden Bilharzien bis zu den schon erwähnten Echsen, ohne Zögern zum Angriff auf uns übergehen. Fox hatte uns darum bei der heutigen Einweisung, bei der ich übrigens zum ersten Mal ein Paddel in die Hand genommen hatte, zur Vorsicht geraten. »Versucht vor allem, nicht umzufallen«, hatte er gesagt. Am gefährlichsten sei das Aus- und Einsteigen, genauso gefährlich sei Aufstehen. Deshalb war Aufstehen streng verboten. Ich würde nicht aufstehen, sondern sitzen bleiben. Eingestiegen war ich bereits, und das Aussteigen würde ich auch hinbekommen.
    Wessing steuerte, ich paddelte in der Mitte, vorn saß De Vries in der klassischen Position des Schiffsführers, das heißt: Er paddelte nicht. Zwischen Wessings Knien lag, unübersehbar, ein Gewehr. De Vries hatte seinen breitkrempigen Hut ins Gesicht gezogen und blickte versonnen auf das Wasser. Er trug zu unserer Bootspartie eine Baumwolljacke und leichte Hosen, die in geschnürten Stiefeln steckten. Die Sachen sahen – wie soll ich sagen – altmodisch britisch aus, wie ein Kostüm aus dem untergegangenen Empire.
    Ein paar Bootslängen vor uns glitt der andere Kanadier durchs Wasser. Fox tauchte am Heck sein Paddel ein, vorn saß Vern Giuliani. Fox hatte natürlich keine Waffe im Boot, aus Prinzip, wie er vor unserer Abfahrt kurz mitgeteilt hatte, mit einem langen Blick auf das Gewehr, das De Vries Wessing so selbstverständlich ins Boot gereicht hatte, als wäre es ein Regenschirm. Er habe nicht vor, meinte Fox, so nahe an die Flusspferde heranzufahren, dass man sich mit Gewehren schützen müsse. Aus Sicherheitsgründen erlaube er Wessing aber, eines mitzuführen.
    Der Fluss verbreiterte sich, und die Strömung ließ nach. Wir passierten eine Insel, an den Ufern nackter grauer Schlamm, darauf lagen ein paar Baumstämme. Baumstämme? Ich brauchte nicht auf Wessings Hinweis zu warten, eine Sekunde zuvor hatte auch ich bemerkt, dass es Krokodile waren. Drei, vier Meter lang, ich konnte es nicht abschätzen. Wir paddelten in Steinwurfweite an ihnen vorbei. Sie lagen seltsam platt da, als wäre man mit einer Walze über sie gefahren, und sie rührten sich nicht. Wir schienen ihnen gleichgültig zu sein. Die Giulianis fotografierten, Fox paddelte ein Stück näher an die Tiere heran. Wessing verminderte die Fahrt und schloss auf. Die Krokodile rührten sich keinen Millimeter, man sah jetzt auch, dass sie die Augen geschlossen hatten. Eines hatte seinen Rachen aufgesperrt, es war aber kein Kuhreiher da, um ihm die Zähne zu putzen, wie ich es in vielen Tierfilmen gesehen hatte. Klappt eben auch nicht immer alles in der realen Natur.
    Wir dümpelten im Wasser, die Paddel ruhten. Niemand sagte etwas. Die Blitzlichter erhellten den Schatten unter den Uferbäumen. Ich drehte mich zu Wessing um. Unwillkürlich fiel mein Blick auf das Gewehr zwischen seinen Knien. Es kam mir ziemlich kurz vor, altmodisch auch, mit den beiden nebeneinanderliegenden Läufen und den Hähnen zum Spannen.
    »Ist das ein Vorderlader, Gustav?«
    Wessing grinste, zog sein Paddel wieder durch und wies mit dem Kopf nach vorn. »Das Gewehr gehört Herrn De Vries«, sagte er.
    De Vries drehte sich nach mir um und musterte mich. Ein wenig spöttisch, wollte mir scheinen, während wir wieder Fahrt aufnahmen.
    »Eine 500   Nitro Express, Herr Jesper. Sehr überzeugend. Eines meiner liebsten Gewehre. Es hat meinem Vater gehört.«
    »Aha«, sagte ich.
    Während sich die Giulianis knipsend von den Krokodilen lösten, überlegte ich, was De Vries mit »überzeugend« ausdrücken wollte, und kam zu dem Schluss, dass er damit die Wirkung gemeint hatte. Ich kannte mich mit Gewehren

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