Gaelen Foley - Amantea - 01
wahren Empfindungen für ihn nicht mehr verbergen.
Um seines höheren Zieles willen musste sie ihm wider- stehen, so wie sie heute seiner höchst verführerischen Ein- ladung widerstanden hatte. Sich vor seinem Schicksal auf einem Anwesen mit glücklichen Kindern zu verstecken klang sehr verlockend.
Aber auf Amantea wurde das Volk ungerecht behandelt. Um dieser Leute willen konnte und durfte sie nicht seine Gespielin werden, und doch befürchtete sie, dass er sich nicht zu etwas anderem überreden lassen würde.
Sie hatte den Schmerz in Lazars Augen gesehen, als sie ihn zurückgewiesen hatte. Dieser Narr! Da sie seinen Stolz verletzt hatte, wollte er heute Nacht seine süße, grausame Rache an ihr nehmen. Und in Wahrheit sehnte sie sich danach.
Gab es denn keinen einfacheren Weg, wie beide das be- kommen konnten, was sie wollten? Er könnte König wer- den und sie seine Mätresse. Männer der oberen Stände halten sich ganz offen Geliebte, flüsterte ihr die Stimme der Versuchung zu. Diese Männer heirateten schließlich nur, um ihre Macht und ihren Reichtum zu vergrößern.
Meistens lieben sie ihre Mätressen mehr als ihre Gat- tinnen. Wieso sollte sie nicht seine Geliebte werden und dafür sorgen, dass er Nicolette von Schönburg heiratete?
Es ist gegen das sechste Gebot, tadelte sie sich innerlich für solch einen Gedanken.
Das kam also nicht infrage. Wenn sie nicht bei ihren festen Grundsätzen blieb, würde sie weder Lazar noch Amantea, noch sonst jemand von Nutzen sein.
Vielleicht sollte sie es trotzdem tun und ihrem Gefühl folgen. Gewiss, dann müsste sie auch die Qualen auf sich nehmen, die diese Stellung mit sich brachte. Lohnte es sich denn nicht, Lazars wegen ihre Moral zu vergessen?
Sobald er mir den Stolz geraubt hätte, würde er wahr- scheinlich zufrieden sein, dachte sie verzweifelt. Denn dann hatte sie nichts mehr, was ihn verwirrte. Er hatte ihr schon alles andere genommen – ihr teuflischer Prinz. Warum sollte sie sich der Hoffnung hingeben, dass er ihr die Seele ließ?
Schließlich erhob sich Allegra und räumte die Kisten fort, die sie an diesem Tag nicht mehr durchsehen konnte. Sie richtete sich auf, strich sich das Haar zurecht und ging durch den dunklen Gang, der zur Kajüte führte.
Allegra wollte ehrlich zu Lazar sein. Sie würde standhaft bleiben und ihm zeigen, dass sie noch Stolz besaß.
Die Kombüse war leer und nur schwach erleuchtet. Auch heute Abend hatte Emilio nichts Besonderes für sie beide gekocht. Der Vikar war nirgends zu sehen.
Allegra ging weiter und griff kurz darauf nach dem Knauf der Kajütentür und öffnete sie. Dabei zitterte ihre Hand leicht. Das Zimmer war dunkel, und die Vorhänge wölbten sich unheimlich vor der Tür, die zum Balkon hinausführte.
Allegra konnte Lazar in der Dunkelheit nicht sehen, aber sie spürte, dass er da war. Als er sprach, klang seine Stimme tief und rau.
„Verriegle die Tür.“
15. KAPITEL
Mit klopfendem Herzen folgte Allegra seinem leisen Be- fehl. Dann wandte sie sich wieder um und erkannte Lazars breitschultrige Silhouette. Er saß im Sessel. Sie konnte ihn gerade noch ausmachen.
Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass er angeklei- det war – wie immer elegant und keineswegs wie ein Pi- rat. Er hatte die Beine übereinander geschlagen und die Ellbogen auf die Armlehnen des Sessels gestützt.
Jetzt trank er aus dem Glas, dessen Rand er dann nach- denklich über die Lippen gleiten ließ. „Komm hierher.“
Zögernd folgte Allegra seiner Aufforderung und blieb in sicherer Entfernung vor ihm stehen. Sie musste auch nicht näher treten, um seine gefährliche Stimmung zu spüren.
Diese Seite an Lazar hatte sie schon einmal kennen ge- lernt – als sie damals ihren gedankenlosen Schwur getan hatte, um ihre Familie vor diesem hasserfüllten Mann zu retten.
„Näher.“
Sie trat noch einen Schritt heran.
Lazar schwieg.
Allegra sah, wie er den Blick über ihren Körper schwei- fen ließ, und voller Scham merkte sie, dass dieser sofort darauf reagierte.
„Löse dein Haar.“
Mit zitternden Händen und wie im Traum tat sie, wie ihr geheißen worden war.
„Ich werde sanft zu dir sein“, sagte er leise. „Glaub mir, es wird dir gefallen.“
Es herrschte eine angespannte Stille, als sie sich feind- selig und begehrlich zugleich ansahen. Allegra wollte sich ihres Verstandes besinnen, um sich dem Verlangen, das von ihr Besitz ergriff, entziehen zu können.
„Warum treibst du dieses Spiel mit mir?“ fragte
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