Gaelen Foley - Amantea - 01
Lazar Allegra nicht einmal entjungfert hätte, selbst wenn sie ihn auf Knien darum gebeten hätte, musste er wohl oder übel wieder zugeben, dass sie Recht gehabt hatte – verdammt und ärgerlicherweise Recht.
Sie würde ihn niemals respektieren, wenn er diese Ange- legenheit nicht regelte. Er selbst könnte ebenfalls niemals Achtung vor sich selbst empfinden, wenn er immer nur dabei war, dem Unvermeidlichen aus dem Weg zu gehen.
Wenn er Allegra zu seiner Frau machen wollte, musste
er Amantea helfen. Um jedoch beweisen zu können, dass er tatsächlich ein Anrecht auf die Herrschaft in Amantea besaß, war es notwendig, den Siegelring wieder zu be- schaffen – auch wenn das bedeutete, seine schlimmsten Albträume noch einmal durchleben zu müssen.
Selbst wenn er das ganze Schießpulver, das auf den sechs Schiffen verteilt war, benutzen musste, wollte er Maliks Festung in Schutt und Asche legen. Nur so würde er an diesen verdammten Ring gelangen, das wusste er.
Auch wenn es wahrscheinlicher war, dass er beim Ver- such, ihn in seinen Besitz zu bekommen, sterben würde.
Während der nächsten halben Stunde besprachen er und seine Männer den Kurs, den sie einschlagen wollten, die Winde und die Kampfformationen, falls sie auf die Genue- sen treffen sollten. Lazar nahm allerdings nicht an, dass der Feind ihnen bis in den Atlantik gefolgt war.
Schließlich kehrten alle Kapitäne außer Sullivan auf ihre Schiffe zurück.
„Ich habe noch etwas mit Ihnen zu besprechen, Kapi- tän“, sagte er und warf Allegra einen wachsamen Blick zu. Sie war die ganze Zeit über still hinter Lazars Stuhl stehen geblieben.
„Sprich frei heraus, Kamerad.“
„Ich habe einen blinden Passagier gefunden, nachdem wir Amantea verließen“, sagte Sully. „Ich habe ihn an Bord gebracht, damit Sie ihn befragen können. Er ist in Ihrer Brigantine.“
„Bring ihn herein.“
Als Sullivan zur Tür ging und einem Mann der Besatzung zurief, den Gefangenen zu holen, wandte sich Lazar dem Vikar zu, wobei ihm Allegras Anwesenheit weiterhin sehr bewusst war. Sie beobachtete ihn beunruhigt.
„Ich möchte, dass du deine Kajüte räumst.“
Der Vikar starrte ihn einen Moment überrascht an. Dann sagte er: „Aha, ich verstehe.“
Er erhob sich, klopfte dem Kapitän voller Mitgefühl auf den Rücken, verbeugte sich vor Signorina Monteverdi und verließ den Raum. Sully wünschte ihm eine gute Nacht, schloss die Tür und drehte sich stirnrunzelnd zu Lazar um.
„Dieser blinde Passagier, Kapitän“, sagte er, „erzählt die wildesten Geschichten. Er behauptet ...“ Sully zögerte. „Er behauptet, dass Sie der rechtmäßige König jener Insel
sind. Er nennt Sie König. Weiterhin beharrt er darauf, dass Ihre Familie umgebracht worden ist und jetzt alle Bewoh- ner von Amantea darauf warten, dass Sie zurückkommen und wieder die Herrschaft übernehmen.“
„Tatsächlich?“ fragte Lazar betont locker.
Sully sah völlig verwirrt drein und betrachtete ihn miss- trauisch. „Ich habe ihn in meiner Brigantine festgehalten, aber trotzdem verbreiten sich seine Geschichten an Bord schnell. Die Männer stellen Fragen, und ich will wissen, was ich ihnen sagen soll. Zum Teufel! Ist es ... ist es wahr?“
Lazar schaute seinen alten Freund einen Moment lang an.
„Ja“, sagte er schließlich. „Ja, es ist wahr.“
Lazar spürte, wie Allegra den Blick auf ihn rich- tete. Noch bevor Sully den ersten Schrecken überwunden hatte und gerade zu sprechen anfangen wollte, wurde der Gefangene hereingebracht.
Unangenehm berührt stellte Lazar fest, dass es sich um denselben alten, dicken, ungepflegten Gitarrenspieler handelte, der sich ihm bereits auf der Piazza nach dem Überfall aufgedrängt hatte.
„Majestät, ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, um Euch zu folgen ...“
Auf einmal verstummte er. Er hatte die Tochter des ver- storbenen Gouverneurs entdeckt, und sogleich funkelten seine Knopfaugen voller Hass.
Allegra erwiderte seinen feindseligen Blick mit unbe- wegter Miene und verschränkte die Arme.
„Signorina Monteverdi befindet sich unter meinem Schutz“, erklärte Lazar mit kalter Stimme. „Du darfst an Bord der ,Walfisch’ bleiben, denn du könntest noch nütz- lich für uns werden. Doch wenn du es wagst, die Dame zu beleidigen, dann gehörst du den Fischen.“
Sobald Sully und Bernardo, der Gitarrenspieler, gegan- gen waren, stand Lazar auf und ging schweigend in seine Kajüte.
Allegra folgte ihrem Beschützer in gebührender
Weitere Kostenlose Bücher