Gaelen Foley - Amantea - 01
Entfer- nung. Sie wagte es nur, bis zur Schwelle des Raums, wo sie beinahe ihre Jungfräulichkeit verloren hätte, zu gehen. Es wird noch geschehen, flüsterte eine innere Stimme ihr zu.
Sie schaute auf seine breiten Schultern und den kräfti-
gen Rücken, die sich gegen den nachtblauen Himmel ab- hoben. Mit der Anmut eines ruhelosen Raubtiers schritt er durch die Kajüte.
Seine Miene wirkte nachdenklich und verschlossen, als sein Gesicht vom orangefarbenen Licht der Laterne, die er anzündete, erhellt wurde.
„Lazar, was um Himmels willen ist los?“ fragte Allegra scheu.
„Räumen Sie Ihre Sachen zusammen, Signorina Monte- verdi.“ Seine Stimme klang hart und ausdruckslos.
„Ich ... ich habe nichts hier“, stammelte sie. „Meine Truhen befinden sich unten im Lagerraum.“
Er ging zum Waschtisch und nahm ihren Kamm mit dem silbernen Griff, der dort lag. Diesen reichte er ihr, wobei er ihn ihr auf Armeslänge hinstreckte und sie vorwurfsvoll anschaute.
Hastig nahm sie den Kamm und hielt ihn an ihre Brust gedrückt, denn seine abweisende Art machte ihr Angst.
„Kommen Sie.“ Er drängte sich an ihr vorbei. „Folgen Sie mir bitte.“
Allegra tat es mit klopfendem Herzen. Sie gingen in die einzige andere Kajüte, die es auf dem Schiff gab und die unter dem Niedergang lag. Der Vikar teilte sie sich mit Doktor Raleigh, dem Schiffsarzt, Mr. Harcourt, dem Steu- ermann, Mr. Donaldson, dem Proviantmeister, und Mutt, dem Schiffszimmermann. Alle waren gerade dabei, ihr Bettzeug und ihre wenigen Habseligkeiten hinauszutra- gen.
Allegra senkte vor Scham den Kopf, als sie sah, dass die Männer ihr Quartier verlassen mussten, weil sie sich geweigert hatte, dem Kapitän nachzugeben.
Doch Mr. Harcourt lächelte sie im Vorübergehen auf- munternd an, so als wollte er ihr zu verstehen geben, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte.
Der Vikar zwinkerte ihr aufmunternd zu und ging dann leise lachend den Gang entlang. Er wollte sich wie die anderen eine Hängematte im Schlafsaal der Matrosen aufhängen.
Nachdem alle verschwunden waren, musterte Lazar die Kajüte. Sie war etwa halb so groß wie die seine. Dann nickte er kurz.
„Gute Nacht, Signorina Monteverdi.“
„Lazar, bitte. Warum wenden wir? Wohin bringst du uns? Von welcher Gefahr hat Kapitän Fitzhugh gesprochen? Sag mir, was vor sich geht.“
Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Sein kalter Blick schien sie zu durchbohren – ein Blick, den sogar seine Piraten fürchteten.
„Ich sage dir genau, was vor sich geht, chérie. Wieder einmal hast du es geschafft, mich dir gefügig zu machen. Los, klopf dir schon auf die Schulter. Vielleicht kostet es mich diesmal mein Leben. Aber keine Angst! Wenn ich tot bin, kannst du dich noch immer mit deiner Tugend, die dir geblieben ist, trösten“, herrschte er sie wütend an.
„Fahren wir nach Amantea zurück?“ flüsterte Allegra und hielt den Atem an.
Einen Moment sah er sie eiskalt an. „Zuerst brauche ich einen Beweis, wer ich bin.“
Sie holte tief Luft. Er wollte es also wirklich tun. „Was für einen Beweis? Wohin musst du, um ihn dir zu holen?“
„Du treibst es wieder einmal zu weit, Allegra“, warnte er sie.
„Bitte, sag es mir“, bat sie ihn unterwürfig.
Langsam kam Lazar auf sie zu. Sie wich vor ihm zurück und ging rückwärts, bis sie an den Schott stieß. Lazar stand bedrohlich vor ihr und atmete stoßweise.
„Wir befinden uns auf Kurs zur Küste der Barbaresken, Signorina. Auch unter dem Namen Hölle bekannt.“
Unvermittelt griff er ihr zwischen die Beine und glitt mit den Fingern dazwischen. Er umschloss liebkosend ih- ren Venushügel und senkte den Kopf, um die Linie ihrer Wange mit seinen Lippen nachzuzeichnen. „Hoffentlich bist du all das wert“, murmelte er.
Noch bevor sie protestieren konnte, ließ er sie los und ging zur Tür.
„Hier befindet sich ein kräftiger Riegel“, sagte er. „Ich würde vorschlagen, dass du ihn benutzt.“
Daraufhin ließ er sie allein in dem kleinen Raum zurück. Sie schaute ihm mit weit aufgerissenen Augen nach, den Kamm noch immer an die Brust gedrückt.
Seine Berührung hatte sie völlig durcheinander ge- bracht. Erschöpft ließ sie sich auf einem Stuhl nieder und fragte sich, welchen Beweis seiner wahren Identität es wohl an der Küste der Barbaresken geben konnte.
16. KAPITEL
Zwei Tage nachdem Lazar Allegra die kalte Schulter ge- zeigt hatte, war sie zwar reumütig, aber keineswegs bereit, für ihre schonungslose
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