Gaelen Foley - Amantea - 01
in die Augen. „Für den Fall, dass Malik in der Zwischenzeit kommt, halten Sie sich an meinen Rat. Betteln Sie nicht um sein Mitleid, und versuchen Sie, nicht zu schreien. Angst und Schmerzen bereiten ihm noch größeres Vergnügen.“
Mit diesen Worten drehte sich Darius um und glitt hi- naus. Die zwei hünenhaften Wächter hielten ihn nicht auf. Allegra schloss einen Moment die Augen und atmete einige Male tief durch, um sich zu beruhigen.
Sie vertraute Lazars Schicksal, ihr eigenes und das von Amantea einem Knaben an. Doch ihr blieb keine Wahl.
Am liebsten hätte sie irgendetwas getan, um nicht ein- fach nur an diesem Ort, wo der Widerhall von Schmer- zen und verlorener Unschuld die stillen, schönen Räume erfüllte, warten zu müssen.
Zorn stieg in ihr hoch beim Anblick des Reichtums um sie herum. In Tontöpfen wuchsen kleine Obstbäume, und alles wirkte so friedlich und idyllisch. Doch in Wahrheit war Lazar hier irgendwo gefoltert worden – als verwaister, einsamer Junge. Noch nie in ihrem Leben hatte Allegra einen abstoßenderen Platz gesehen.
Ihr Blick schweifte in eine Ecke, wo sie einen hüb- schen Eisenkäfig entdeckte. Darin befand sich ein großer, prächtiger Kakadu mit einem kurzen gebogenen Schnabel und langen weißen Federn, die wie Perlen schimmerten. Das Tier schien Allegra von der anderen Seite des Raums aufmerksam zu betrachten.
Um sich zu beschäftigen, ging sie zum Käfig des Vogels und öffnete das Türchen. Als der Kakadu nicht gleich he-
rausflog, steckte sie eine Hand hinein. Zu ihrer Erleich- terung biss er sie nicht, sondern ließ sich ihre Berührung gefallen, und es schien so, als ob der Vogel daran gewöhnt wäre, von Menschen gestreichelt zu werden.
Als sie ihn zum Fenster trug, wurde der Kakadu auf einmal ganz aufgeregt, sobald er die nächtliche Luft roch. Er begann, mit den Flügeln zu schlagen und sich an ihre Hand zu klammern.
Das schöne Tier schien seine eigene Stärke nicht zu ken- nen. Am Fenster hob sie die Arme und ließ den weichen Körper, den sie bis dahin mit einer Hand festgehalten hatte, los.
Der Vogel breitete seine Flügel aus und flog in die schwarze Nacht hinaus.
Lazar war erschöpft.
Er spürte ein brennendes, schmerzendes Gefühl in sei- nen Muskeln und schmeckte Blut auf seiner Unterlippe. Er hatte das Gefühl, als hätte er bereits seit einer Ewigkeit gekämpft.
Gordon, dessen blondes, schweißnasses Haar ihm an der Stirn klebte, griff ihn immer wieder an.
Nach einem wilden Kampf mit dem Afrikaner in der Runde zuvor war es Lazar gelungen, ihm die rechte Schul- ter auszurenken. Nun gab es nur noch Gordon und ihn – eine faire Auseinandersetzung, obgleich Lazar bereits müde davon war, als die beiden noch zusammen auf ihn eingeschlagen hatten.
Die Brutalität, mit der sich sein alter Freund auf ihn gestürzt hatte, war überraschend für ihn gewesen. Unab- sichtlich gab Lazar sich mehrmals Blößen, da er in die Au- gen seines ehemaligen Freundes schauen wollte. Doch er entdeckte nur den Ausdruck eines Mannes, der sich dem Willen eines anderen unterworfen hatte.
Das lenkte ihn vom Kampf ab. Gordon war so gut trai- niert, um keine Gelegenheit, die sich ihm bot, auszulas- sen.
Zuvor hatte Lazar versucht, durch ein paar scherzhafte Bemerkungen seinen alten Freund zu einer menschlichen Reaktion zu veranlassen. Doch es hatte nichts genutzt.
Nun verteidigte Lazar sich stumm und mit grimmi- ger Miene und wurde allmählich wirklich verzweifelt. Er
brachte seinen Körper und seine Fähigkeiten bis an die äußersten Grenzen, um seinem scheinbar unbesiegbaren Gegner standhalten zu können.
Sie rollten wie kämpf ende Titanen auf dem Marmorbo- den hin und her, das grölende Volk, das ihnen zusah, be- achteten sie nicht weiter. Lazar und Gordon schlugen sich mit größter Grausamkeit, trennten sich dann voneinander und umringten sich einen Moment keuchend.
Blut tropfte auf den weißen Boden. Als sie sich wieder aufeinander stürzten, verpasste Lazar seinem Gegner eine mächtige Linke gegen den Kiefer.
Gordon ging einen Schritt zurück, um nicht das Gleich- gewicht zu verlieren. Dann trat er wieder nach vorn und verpasste Lazar mit seiner Stirn eine Kopfnuss. Lazar wurde schwarz vor Augen.
Während er durch den Angriff des Engländers, der einen Schädel so hart wie ein Felsen besaß, angeschlagen war, entschloss sich Gordon, ihn zu würgen. Er drängte Lazar mit dem Rücken gegen die kühle gekachelte Wand, und die Barbaresken sprangen beiseite,
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