Gaelen Foley - Amantea - 01
...“‘
Allegra senkte den Kopf, schloss die Augen und betete um Kraft. Es musste einen Grund geben, warum der Him- mel ihr gerade diesen rätselhaften Mann zugeführt hatte. Sie bat Gott um Einsicht, damit sie die Wahrheit über die verwirrende Zerrissenheit des Piratenkapitäns erkennen konnte.
„Beten Sie um Erlösung vom Teufel, Madame?“ erkun- digte sich eine tiefe vertraute Stimme.
Sie schaute auf und sah den Teufel von Antigua, der durch den Raum zu seiner Kajüte ging. Seine männliche Ausstrahlung verstärkte bei Allegra noch das Gefühl, ihm
völlig ausgeliefert zu sein. Sie wehrte sich innerlich heftig dagegen. In all ihren Unterhaltungen in den Pariser Sa- lons über Freiheit hatte sie sich niemals ausgemalt, dass sie ihre eigene je verlieren würde.
Sie schloss die Bibel und beobachtete, wie ihr Eroberer vorbeischritt. In seiner dunkelblauen Weste, seinem strah- lend weißen Hemd und dem Krawattentuch, das er sich um den Hals geschlungen hatte, sah er wie ein Respekt einflößender Kapitän aus. Allegra hörte, wie er sich in sei- ner Kajüte bewegte, und fragte sich, was er nun planen mochte.
„Ich möchte Sie darauf hinweisen, Signorina Monte- verdi“, rief er betont beiläufig, „dass Sie es waren, die mich darum bat, Sie gefangen zu nehmen, um Ihre Familie zu retten.“ Er war wieder zum unpersönlichen Sie überge- gangen. „Soweit ich mich erinnere, schworen Sie, alles zu tun, was ich von Ihnen verlange. Alles. Darum warfen Sie sich vor mir auf die Knie. Bisher war ich ausgesprochen zurückhaltend – meinen Sie nicht?“
Allegra erbleichte und überlegte, ob er damit meinte, dass seine Geduld mit ihr nun zu Ende sei. Zwar bedauerte sie ihr Versprechen nicht, aber es wäre einfacher zu ertra- gen gewesen, ihr Ehrenwort zu halten, wenn ihr Vater es nicht überflüssig gemacht hätte.
Sie zitterte am ganzen Körper und entschloss sich, in seine Kajüte zu gehen und es hinter sich zu bringen. Gewiss würde sie ihm zeigen, dass sie nicht einverstanden war, sich gegen ihn zur Wehr setzen jedoch würde sie nicht.
Mit diesem Gedanken erhob sie sich und strich ihr Kleid glatt. Gab es einen Weg, um sich geistig darauf vorzubereiten, ihm ihren Körper zur Triebbefriedigung zu überlassen?
Sie stand an der Tür und beobachtete ihn, wie er et- was auf seinem Schreibtisch ordnete. Der Kapitän achtete überhaupt nicht auf sie. Er sah nicht wie ein Mann aus, den die Lust zu überwältigen drohte.
Auf einmal misstrauisch geworden, entschloss sie sich, zuerst herauszufinden, was für Pläne er für sie hegte. „Kapitän“, sagte sie ruhig. „Ich möchte mit Ihnen spre- chen.“
„Ich fühle mich geehrt“, erwiderte er, ohne von der Schublade, in der er gerade wühlte, aufzuschauen.
Allegra entschloss sich, als Erstes höflich zu sein, ob- gleich es ihr schwer fiel, sich Lazar gegenüber so gelassen zu geben.
„Wie geht es Ihrem Arm?“
Er schaute auf und schien sogleich wachsam zu werden. „Er verheilt gut.“
Nachdenklich betrachtete sie ihn und fragte sich, warum er so vorsichtig ihr gegenüber war, wenn sie doch beide wussten, dass sie ihm ausgeliefert war. Vielleicht hatte sie etwas gegen ihn in der Hand, was ihr noch gar nicht bewusst gewesen war. Diese Vorstellung erfüllte sie mit Hoffnung.
Sie verschränkte die Arme und lehnte sich an den Tür- rahmen. „Kapitän, mir ist klar, dass Sie Recht haben mit Ihrem Vorwurf. Ich habe mich Ihnen gegenüber nicht sehr fair benommen. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Ich war zu sehr mit anderen ... anderen Dingen beschäftigt.“
Die Worte blieben ihr fast im Hals stecken, doch sie fuhr fort: „Ihre Beweggründe sind mir noch immer un- klar. Aber ich verstehe, dass es Sie viel gekostet hat, Ihre Vendetta gegen meine Familie aufzugeben. Es wäre mir sehr recht, von Ihrem Standpunkt aus die Geschichte zu erfahren.“
„Das ist sehr großzügig von Ihnen“, erwiderte Lazar, setzte sich aufrecht hin und betrachtete eine Schreibfeder. „Doch ich habe beschlossen, dass meine Version der Ge- schichte unwichtig ist.“ Er sah sie flüchtig lächelnd an. „Es ist also egal.“
Das überraschte Allegra, obgleich sie nicht wusste, warum. Schließlich nutzte dieser Mann jede Gelegenheit, die sich ihm bot, um sie zu verwirren.
„Aber ich bin entschlossen, Ihnen zuzuhören, ohne Sie zu verurteilen – genau so, wie Sie das von mir erbeten haben.“
„Schon, nur möchte ich es Ihnen nicht mehr erzählen, Signorina Monteverdi. Sie
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